Samstag, 5. Mai 2007

MarxRechnen

„Habe ich eine gegebene Zahl, sage 8, […] machte der Profit 6 aus und der Arbeitslohn 2, so könnte der Arbeitslohn auf 6 steigen und der Profit auf 2 fallen, und doch bliebe der Gesamtbetrag 8.“

Schreibt Geburtstagskind Karl Marx im Kapitel „Produktion und Löhne“ seines Traktates „Lohn, Preis und Profit“. Zu meiner Zeit (Sätze die mit den Worten „Zu meiner Zeit“ beginnen, lösen bei mir ja grundsätzlich Krampfaderalarm aus, in diesem Fall selbstredend grundlos, da der Satz ja ein guter sein muss, weil er aus meinen Tasten stammt). Zu meiner Zeit also, wurde so was noch im Studium gelesen. Kleiner, überschaubarer, wöchentlicher Studienkreis, einskommafünf Stunden ohne Akademisches Viertel und natürlich ohne lästiges Lehrpersonal. Es wurde gelesen und - nachdem die orthodoxen Kommilitonen höflich aber bestimmt ausgeladen waren - zumeist recht verhalten aber ergebnisorientiert interpretiert. Und was soll ich sagen: drei von diesem Kreis lächeln mich heute hin und wieder von verwegen-inhaltlosen Wahlplakaten an. Einer wurde gar „liberal“ vor lauter Marx-Studium und ich danke mir und wem auch immer dafür, dass ich vor solcher Unbill bislang verschont wurde und hoffentlich auch künftig werde. Bevor ich mich hier jedoch ganz ins Biographische verrenne (das Marbacher Literaturarchiv soll ja dereinst auch noch etwas zu tun haben), fasse ich nochmals den Satz von Herrn Marx zusammen: P (Produktion) = 8, Pr (Profit) = 6, A (Arbeitslohn) =2 wobei gilt: P = Pr +A.

Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser warnte die Tage noch die IG Metall vor einem Rückfall in „Zeiten des Klassenkampfes“, was ich in Anbetracht des ridikülen Slogans „Gebt uns die Prozente her, sonst bleiben die Fabriken leer“, der mir noch vorgestern anlässlich eines Warnstreiks ins halbtaube Ohr skandiert wurde, als schiere Realitätsverleugnung wenn nicht gar –verlust deuten möchte. Der Bundesverdienstkreuzträger am Bande fürchtet sich mithin vor jenen Zeiten als der Herr Marx noch ordentlich und einprägsam vorrechnete. Die Formeln der sozialen Markwirtschaft werden dagegen zunehmend unüberschaubarer: Der Metall-Vertrag hat eine Laufzeit von 19 Monaten. Für April und Mai wurde eine Einmalzahlung von je 400 Euro vereinbart, dann werden zwölf Monate lang 4,1 Prozent mehr bezahlt, schließlich, von Juni 2008 an für die restlichen fünf Monate 1,7 Prozent. Zusätzlich wird dann ein so genannter Konjunkturbonus in Höhe von 0,7 Prozent ausbezahlt. Endgültig vorbei also der Klassenkampf Marxscher Ausprägung mit einfachen Gleichungen aus natürlichen Zahlen und dem gewissen Sieg des Proletariats in der letzten Folge.

Wen wundert es daher, wenn nun die Gewerkschaft nach dem Abschluss von einer insgesamt 5,8-prozentigen Erhöhung sprach, der IG Metall-Bezirksleiter und Verhandlungsführer Jörg Hofmann in Sindelfingen dagegen von einer „ordentlichen Vier vor dem Komma“ und zeitgleich die Arbeitgeberseite eine Kostenbelastung von höchstens 3,3 Prozent über den gesamten Zeitraum errechnet?

„Jede Wahrheit ist doch nur Wahrheit bis zu einem gewissen Grade, wenn sie diesen überschreitet, so kommt der Kontrapunkt, und sie wird Unwahrheit“ schreibt Kierkegaard, unser zweites Geburtstagskind, in sein Tagebuch und will damit zur Geltung bringen, dass „Wahrheit“ nicht in Sätzen gelehrt werden könne, sondern eine Bewegung des Menschen in der Zeit sei. Oder einfacher ausgedrückt: Man mache im Rahmen von Tarifverhandlungen den Term lange genug, damit jeder sich eine Zahl nach Belieben errechen oder einfacher noch auswählen kann.

Nun freilich sind alle Warnungen zu spät, Tarifmathematiker, die Dutzendweise auf beiden Vertragswseiten Beschäftigung gefunden haben, fordern ihren Tribut. Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis Logarithmen Eingang finden in Tarifabschlüsse, Gewerkschaften werden schon bald von einer „ordentlichen Wurzel aus 3,4 bei einer Laufzeit von 324 Tagen“ sprechen, unabhängige Berater werden die Tarif-Mengenlehre mit der Arbeitsplatz-Bruchrechnung vereinen und Verhandlungsleiter der Arbeitgeberseite von einer „vertretbaren Potenz der 1,3“ für die Restlaufzeit der ersten 21 Monate sprechen abzüglich des Konjunturmalus versteht sich bei gleichzeitiger Halbierung des relativen Gehmirblosswegquotienten. Und unser aller Kurt Beck wird keine Sekunde zögern und ins erstbeste Mikrofon den Triumph der Tarifautonomie proklamieren. So wird das kommen, da bin ich ehemaliges Mitglied jenes kleinen, überschaubaren Marx-Studienkreises aber ganz und gar sicher. Doch, doch.

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