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Mittwoch, 6. Februar 2008

Achse des Bösen und Geschenke des Himmels

Man könnte ja fast Mitleid mit ihm haben - wenn er denn nicht so durch und durch böse wäre. Er ist Schuld dass wir ausgelassen und gut gelaunt waren.
Dat wor dä Nubbel!

Dass wir faul, versoffen und unverantwortlich den letzten Cent für Bier ausgegeben haben.
Dat wor dä Nubbel!

Schuld hat er auch am völlig missratenen Motto für die Session 2009: „Unser Fastelovend himmlisch Jeck“.
Dat wor dä Meisner!

Mittwoch, 16. Januar 2008

Ein cholerisches Rumpelstilzchen in der analen Phase

Meine Leser wissen, dass ich immer und jederzeit zu Hartmut BahnCHEF stehe. Und so ein kleiner Ausrutscher beim Rechnen, Herrschaftszeiten, der Mann ist ein Tycoon und hat halt die Milliarden und Millionen durcheinander gebracht, wer einen Buchhalter und Cellospieler sucht ist hier eben fehl am Platze.

„Herr Mehdorn ist fehlfixiert auf den Börsengang und er agiert wie ein cholerisches Rumpelstilzchen zu Lasten der Bahnkunden und des Bahnpersonals. Deswegen ist er untragbar“ sagte Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn der Frankfurter Rundschau und empfahl der rotschwarzgekleideten Äinschie Merkel den BahnCHEF flugs auszuwechseln. Nun ist der gute Fritz wenn schon kein Psychoanalytiker so doch immerhin Linguist und durfte sich auch mal für drei Jahre „Professor für sprachliche Kommunikation“ im heimeligen Stuttgart nennen. Deshalb sollte er eigentlich wissen, dass schon eine Fixierung eine wirklich saublöde Sache ist und mithin echt nicht gut, das Wörtchen „fehl-“ davor hätte es also gar nicht gebraucht, dennoch spielt er uns (unbewusst womöglich?) den Schlüssel zum Verständnis von all dem Gedöns in die fragenden Hände.

Was für den Grünen ein „cholerisches Rumpelstilzchen“ ausmacht beschreibt die Psychoanalyse noch treffender mit dem „analen Charakter“. Dabei wird vordergründig von der Darmentleerung gesprochen, ein großes Ganzes von „Zurückhalten und Hergeben“ (offensichtlich als düsteres Symbol für Tarifkämpfe!). Natürlich wird sich alles später durch Sublimierung und Reaktionsbildung im Charakter der Tarifpartner niederschlagen müssen. Jedenfalls ist das nicht mehr mit simpler Mathematik gegeneinander aufzurechnen. Alles ist irgendwie arg kompliziert hintergründig: Selbstredend werden durch die Friedenspflicht aka „Latenzzeit“ einige Charakterzüge nicht sofort sichtbar und so deutlich wie am Ende einer Tarifrunde, jedenfalls haben Menschen mit analem Charakter ein eher zwanghaftes Verhalten, rigide Rituale, gruppenstörenden Eigensinn und fallen durch übersteigernd sture Rechthaberei aber auch direkte Zwangssymptomatik auf.

Der BahnCHEF hat, folgt man dem Verständnis der Psychoanalyse, eine zu rigide Art der Sauberkeitserziehung durchlebt. Der Erziehungsberechtigte Tiefensee hat statt liebevoller und geduldiger Fürsorge mitten in der analen Phase des „Zurückhaltens und Hergebens“ beim Tarifpoker unseren BahnCHEFs plump autoritär behandelt und so lange gedrängelt und mit Eisenbahnentzug gedroht, bis der der Ohnmacht nahe BahnCHEF unter irgend ein Stück Papier seine Unterschrift gesetzt hat und damit eine „wirtschaftlich unsinnige Entscheidung“ (Hartmut) sanktioniert hat. Und solch verwerfliches Tun führt offensichtlich eher über kurz als lang zu einem rigideren, trotzigeren ergo analen Charakter, zu Rechenfehlern und überhaupt solchen hitzigen Brandreden.

Wenn das der Papa Tiefensee nur vorher gewusst hätte, dass der BahnCHEF nur Ofer ist und Verständnis und Zuneigung braucht! „Ich finde es schade, dass er einen guten Erfolg schlecht redet“, sagte der (noch!) verständnislos im ZDF-Morgenmagazin. Die Reaktion des BahnCHEFS sei „eine erste heftige Reaktion, für die ich kein Verständnis habe“. Hätte er doch nur einmal nachgesehen beim Siggi Freud dass durch Ausübung von Zwang in der Entwicklungsphase sowohl Symptom- wie auch Charakter-Neurosen entstehen können. Im Unbewussten vom BahnCHEF hat sich durch Tiefensees rücksichtslos autoritär manische Machtmanifestation der „Thanatos“ dominant entwickelt. Dieser Trieb ist eisiger Ausdruck der negativen Lebensenergie und kennt nur Zerstörung. Tja und Triebe sind nun mal treibende Kraft für alle Menschen und werden durch die Instanz des „BahnCHEF-ES“ (das Lustprinzip!) ausgelebt, eben der unbewusste Teil im BahnCHEF. Nach dem traumatisierenden Zwangserlebnis wollte unser Hartmut einfach sofortige Triebbefriedigung haben, ohne sich um Moral und Konventionen zu kümmern. Da kann man schon mal von Entlassungen reden und ein paar Zahlen durcheinander bringen. Doch, doch, so könnte das passiert sein.

Es könnte freilich auch so gewesen sein, dass ein cholerisches Rumpelstilzchen mit nicht nachvollziehbaren Zahlen hantiert, weil er sieht wie seine Felle davon schwimmen: Der Börsengang geht aus politischen Gründen zumindest vorläufig in den Orkus und die Gewerkschaften versauen ihm auch noch die saccharinsüße Bilanz, die geldgeile Investoren locken sollte. Aber das, liebe vieltausendköpfige Leserschaft, ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

Montag, 7. Januar 2008

Deutschsein: Vom Hindukusch zur Münchner U-Bahn

„Deutschland wird“, so der allzeit blitzgescheite Peter Gauweiler in Wildbad Kreuth, „in Müncher U-Bahnen verteidigt, am Bahnhof Zoo in Berlin und in der Frankfurter Innenstadt". Hamburger, Kölner, Stuttgarter oder gar Bonner sollten jetzt nicht gleich beleidigt sein, weils dort nichts zu verteidigen gilt. Für alle freilich, die grade mit Jeeps, Panzern und Tornados „unsere Freiheit am Hindukusch verteidigen“ wie es seinerzeit noch der überaus blitzgescheitere Peter Struck proklamiert hat, gibt’s nun gewiss ein großes Umdenken. Nur noch eine Frage der Zeit wird es sein, bis Tornado-Aufklärungsflugzeuge durchs DEUTSCHE Münchner U-Bahn-Netz tieffliegen, das Technische Hilfswerk am DEUTSCHEN Bahnhof Zoo eine Schule für benachteiligte DEUTSCHE Mädchen bauen wird und der DEUTSCHE Dow Jones und das DEUTSCHE Rotlichtviertel bis auf den letzten DEUTSCHEN Leopard Panzer und Goethes DEUTSCH für Ausländer-Schulungen verteidigt werden wird.

Die Talliban bei Handkäs und Applewoi am DEUTSCHEN Mainufer? Die Ballakbomber im DEUTSCHEN Berliner Nebenbahnhof? Muselmanen bei DEUTSCHEM Knut seinem Gehege? Die Diktatur der alten Herren im äh äh DEUTSCHEN Bayern?

Amerikaner werden München besetzen wie in den guten alten Zeiten, Christlich wird es wieder sein und ein bisserl Sozial natürlich, wie beim Königlich Bayerischen Amtsgericht dazumal und die ausländischen kriminellen Jugendlichen, das hat erst die Tage eine wissenschaftliche Studie herausgefunden, sind 100% ausländischer als die inländischen kriminellen Jugendlichen! 100%! Einhunderprozent! HimmelherrGOTTsakra, dös is doch super-signifikant! Also dann is doch wohl biddeschön alles klar, oder? Heil, äh, Danke Peter, alles klar jetzt.

Donnerstag, 3. Januar 2008

Es geschah am hellichten Tag ...

Während ich mit fiebrig zitternden Gliedern am Herd geklammert darüber nachsinne, dass das von mir erstandene Biohuhn aus der Eifel nicht nur ein erfülltes sondern offensichtlich auch ein langes Leben genossen zu haben scheint, bemerke ich die Bewegung wie zufällig aus dem Augenwinkel.

Vier vierschrötig viel zahnig Vermummte nähern sich katzengleich der Haustüre. Einer von ihnen überragt die anderen um mehrere Köpfe - offensichtlich ihr Anführer der sich in einer ochsenblutroten, Unheil verheißenden Robe gewandet, in zweiter Reihe hält. Vor ihm als lang eingeübte Angriffsformation drei kampfeslustig dreinschauende Spießgesellen, einer trägt am langen Stab einen giftig-metallisch schimmernden Stern, jederzeit bereit, ihn ohne mit der Wimper zu zucken dem erstbesten Widersacher über den Scheitel zu ziehen. Alle drei haben zu ihrem Schutz gezackte, goldfarbene Helme übergestülpt, rot wehende Umhänge sind schreiende Zeugen gieriger Mordlust des fanatisch-religiösen Mobs der wütend und blutrünstig gegen meine Haustüre brandet.

Trotz fiebriger Erkältung zögere ich keine Sekunde, bewaffne mich notdürftig mit der soeben lackierten Holzskulptur einer Rheingöttin und stürze zur Wohnungstür um entschlossen die erste Angriffswelle abzuwehren. Erst als ich die Tür aufreiße bemerke ich, dass ich zu spät komme: Die greise Nachbarin ist offensichtlich mit den fanatisch-religiösen Angreifern im Bunde und hat dem Mob dienstfertig den Weg zu meiner Türe gewiesen. Der kleinste der drei Kindersoldaten nennt sich Caspar und hält mir niederträchtig grinsend den metallisch gezackten Stab zur Drohung entgegen, Melchior, der mittlere, versucht meinen Widerstand mit Lobpreisungen und dem Hinweis, sie seien vom Herr GOTT gesandt, zu brechen während Balthasar, der Dritte, gerade einen tausendfach geübten Bannfluch mit von Papst Benedikt XVI persönlich geheiligter Kreide an meine Tür schreibt.

Pardon wird nicht gegeben, ich führe einen selbstlos verzweifelten Kampf zur Rettung der zivilisierten Welt. Als aber alle drei Angreifer für mich völlig unerwartet „Herr Jesu meine Zuversicht“ anstimmen, droht mein letzter Widerstand zu brechen. „20*C+M+B+08“ prangt als Fluch anklagend an meiner Türe und ihr Anführer, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Frau des ehemaligen Ministerpräsidenten und Superministers hat, weist darauf hin, dass nun eine ordentliche Spende angebracht sei. Schweißüberströmt wische ich mit der linken Hand in einer Reflexbewegung den Bannfluch von der Tür, stoße geschickt mit der Rechten den Dreizack beiseite und werfe, mich dabei um die eigene Achse drehend, die Türe zu. „Ein Veitstanz! Wie der Leibhaftige ...“ höre ich noch die greise Nachbarin ob der drohenden Niederlage weinerlich keifen während ich mich mit letzter Verzweiflung gegen die geschlossene Tür stemme die sich unter dem Wüten der Zombies im Hausflur und dem Ohrenbetäubenden Dröhnen biegt und zu zersplittern droht ...

Wer kann sie aufhalten, die 500.000 auf ihrem fanatischen Marsch? Morgen werden sie unbemerkelt das Bundeskanzleramt nehmen, am 6. Januar werden sich Horst Köhler und die Seinen vergeblich in der Verteidigung von Schloss Bellevue aufreiben. Am 15., so haben die Gotteskrieger bereits selbstbewusst angekündigt, wird im Europäischen Parlament in Straßburg der Präsi Pöttering mit dem Schlachtruf „Christus mansionem benedicat“ egalisiert, der ja nicht von ungefähr an den Ratzi Papsi Benedikt XVI. erinnert. Wird sich Schäuble nebst GSG9 als letztes Aufgebot selbstlos den Dreien auf der Rheinbrücke bei Kehl entgegenstellen? Wird die Menschheit überleben? Und wenn ja: Produziert dann Eichinger den von Emmerich gedrehten Blockbuster mit Arnold Schwarzenegger als Papst?

Fragen bleiben uns, nichts als Fragen ...

Montag, 31. Dezember 2007

Es läuft auf eins hinaus ...

„Die andern Leute haben Sonn- und Werktage, sie arbeiten sechs Tage und beten am siebenten, sie sind jedes Jahr auf ihren Geburtstag einmal gerührt und denken jedes Jahr auf Neujahr einmal nach. Ich begreife nichts davon: ich kenne keinen Absatz, keine Veränderung. Ich bin immer nur eins; ein ununterbrochenes Sehnen und Fassen, eine Glut, ein Strom. Meine Mutter ist vor Gram gestorben; die Leute weisen mit Fingern auf mich. Das ist dumm. Es läuft auf eins hinaus, an was man seine Freude hat, an Leibern, Christusbildern, Blumen oder Kinderspielsachen; es ist das nämliche Gefühl; wer am meisten genießt, betet am meisten.“

[Georg Büchner: Dantons Tod, Fünfte Szene]

Sonntag, 16. Dezember 2007

Zu Brüssel die Tage ...


[Die Grafen Egmont zu Brüssel, Buster 2007]

Silva. »Erkennen wir, nach vorgängiger genauer, gesetzlicher Untersuchung, dich Heinrich Grafen Egmont, Prinzen von Gaure, des Hochverrats schuldig und sprechen das Urteil: daß du mit der Frühe des einbrechenden Morgens aus dem Kerker auf den Markt geführt und dort, vorm Angesicht des Volks, zur Warnung aller Verräter mit dem Schwerte vom Leben zum Tode gebracht werden sollest. Gegeben Brüssel im« (Datum und Jahrzahl werden undeutlich gelesen, so, daß sie der Zuhörer nicht versteht.)
»Ferdinand, Herzog von Alba,
Vorsitzer des Gerichts der Zwölfe.«
Du weißt nun dein Schicksal; es bleibt dir wenige Zeit, dich drein zu ergeben, dein Haus zu bestellen und von den Deinigen Abschied zu nehmen.
(Silva mit dem Gefolge geht ab. Es bleibt Ferdinand und zwei Fackeln; das Theater ist mäßig erleuchtet.)

[J. W. von Goethe: Egmont]

Montag, 3. Dezember 2007

In der Filmkulisse



[Kilmainham Gaol, Dublin. Buster 2007]

“If the prison does not underbid the slum in human misery,
the slum will empty and the prison will fill.” [G. B. Shaw]

Das einzige Irische Gefängnis in dem man Eintritt bezahlen muss, um hineinzukommen und die wahrscheinlich häufigste Irische Filmkulisse überhaupt ist Kilmainham Gaol in der Inchicore Rd im Dubliner Bezirk Kilmainham. Nach der Schließung 1924 wurde es zunächst vergessen, dann wieder restauriert und ist heute ein bisserl arg frisch gestrichen.

Die Viktorianische Epoche war ein exzellentes Zeitalter für Gefängnisse: Über 40% aller heutigen Britischen und Irischen Knäste stammen aus dieser Epoche. ‚Haftfähig’ war man ab acht Jahren, weil man ab diesem Alter schließlich auch arbeitete – die „gute alte Zeit“ eben.

Samstag, 1. Dezember 2007

to infinity and beyond



[Dublin Hafen. Buster 2007]

Der Irish Independet berichtet heute über Pläne der Orange Order die Herzen der Jugendlichen mit einem Comic-Superhelden in orangefarbenem Outfit zu gewinnen:

We will go on marchin …
to infinity and beyond!


Wer nicht solange warten will, bis der Superheld auf dem Markt ist, betrinke sich mit Orange Mans piss oder gehe potentielle Startrampen für den Orange Man im Hafen Dublins gucken.

Mittwoch, 28. November 2007

(I’m Always Touched) By Your Presence, Dear

In Touristenführern steht ja gerne viel Unsinn, den keiner braucht. Etwa dass die O’Connel-Bridge die einzige in Europa ist, die breiter als lang ist oder etwa dass der Chipper (der Fish & Chips-Verkäufer) Burdock der beste der ganzen Stadt ist, man aber peinlich darauf achten möge, dass die eifrigen Bediensteten keinen Essig über die Chips geben. Was freilich barer Unsinn ist, weil die Angestellten dies nie tun. Andererseits wären Touristen gut beraten über das seltsame Gemisch, das sie unter dem Label ’Fish & Chips’ erstehen, etwas von dem überall herumstehenden Essig zu gießen, dann schmeckt’s wenigstens nach Essig. Solcher und anderer Unsinn findet sich. wie gesagt, seitenweise in den Touristenführern und so nimmt es nicht wunder, dass sich schon am Nachmittag Schlangen von Menschen vor Leo Burdocks bilden, die alle den Satz „no vinegar please“ auswendig gelernt haben, aber gar nicht brauchen.

Was Mensch im Zentrum von Dublin hingegen ziemlich sicher braucht und sehr selten findet ist eine Toilette, die ohne Gummistiefel zu benutzen ist. Da hilft zwar kein Baedecker, aber Erfahrung: Die saubersten Toiletten in Großstädten finden sich meiner Meinung nach meist in Museen für Gegenwartskunst, weil sie meist relativ neu erbaut bzw. renoviert und die Museen selten frequentiert sind. Und nach erfolgreichem Test kann bedenkenlos empfohlen werden: Wer in Dublin auf der Southside ein Bedürfnis hat, gehe in das Irish Museum of Modern Art in der Military Road und in der Northside in die schon erwähnte Dublin City Gallery, Parnell Square North und finde dort seinen Frieden.

Und wenn man schon mal dort ist, kann man sich ja für lau erkundigen, was für ein Messie der Francis Bacon war, und das Bacon Studio besuchen oder im ehemaligen Militärkrankenhaus auf der Southside die New Media Akquisitionen auf sich wirken lassen, die unter dem wunderbaren Titel ‚(I’m always Touched) By Your Presence, Dear’ ausgestellt werden ...


[Bacon-Studio, Dublin City Gallery. Buster 2007]

Donnerstag, 22. November 2007

Der Exzess: Vom Irish Famine zum Full Irish



[The Famine Sculpture (von Rowan Gillespie), Custom House Quay am Ufer der Liffey, Dublin. Buster 2007]

Ich gehöre ganz sicher nicht zu jenen, die krampfhaft versuchen mit der Geschichte eines Volkes seine heutigen unsäglichen Gewohnheiten pausenlos zu rechtfertigen. Es kann aber doch nur an der großen Hungersnot (irish potato famine) zwischen 1845 und 1849 liegen, warum heute so hemmungslos viel und ungesund gegessen wird. Immerhin verhungerten wegen schweren Kartoffelmissernten, dem Hauptnahrungsmittel der Bewohner, rund fünfhunderttausend Menschen in grade mal vier Jahren und über zwei Millionen wanderten aus, zum überwiegenden Teil in die USA.

Das hilft vielleicht zu erklären, warum Iren permanent in Angst vor einer akuten Kartoffelkrise leben und im Pub selbst zu Spaghetti oder Pizza noch eine ordentliche Portion chips serviert wird: Die fetttriefende, frittenverliebte, gewürzlose Küche, in der die wichtigsten Hilfsmittel Mikrowelle und Friteuse sind, dominiert trotz aller Fusion-Ansätze und ist in den Straßen nahezu allgegenwärtig. Dies setzt sich natürlich auch beim reichhaltigen Frühstück, genannt >Full Irish<, konsequent fort. Wenn man Glück hat, ist es wenigstens nicht gekocht sondern gebraten, ein Attentat auf den Cholesterinspiegel und pures Hüftgold bleibt es dennoch und wird in traditionell überbordenden Portionen serviert.

Mein Landlord und die Dame des Hauses, die mir zum bezahlbaren Preis von unter 30 Euronen Bed & Breakfast unterm spitzgiebligen Vorortdach der Northside gewähren, meinen es wirklich zu gut mit mir: Mein Frühstück beginnt mit einem Orangensaft und Cerealien (an dieser Stelle ist mein Hunger gestillt, ich könnte unbeschwert den Tag beginnen. Aber weit gefehlt). Dann kommen ein Spiegelei, jeweils zwei verschiedene Schweinswürstchen, viel bacon, ein Teller gebratene Pilze und zwei gegrillte Tomaten in einem zweiten Gang. Den dritten Gang eröffnet der black pudding (Blutwurst mit Hafergrütze in Scheiben gebraten), gefolgt von baked beans, kipper (heißer Hering), white pudding (gebratene, undefinierbare, helle Wurst) und ein Schälchen porridge (in wässriger Milch arg zerkochte Haferflocken), dazu gibt es Sodabrot. Hier spätestens glaube ich mich jenseits von Gut und Böse - es kommt aber noch eine Potato Cake mit grobem Apfelmus und Toast mit gesalzener Butter und Orangenmarmelade. Dazu verabreicht man mir kannenweise Schwarztee bis zum drohenden Tanninkollaps.

Mein zaghafter Hinweis am zweiten Tag, dass ich Morgens mit Cerealien und etwas Obst ganz und gar zufrieden zu stellen sei, wurde leider sehr falsch verstanden und hatte gegenteilige Wirkung: Zwischenzeitlich werden nach dem dritten Gang und vor der Potato Cake noch in Honig marinierte, geröstete Pampelmusenscheiben mit heißem Räucherfisch als Zwischengang serviert. Beide Hausbesitzer stehen dabei wie die Wächter des Dublin Castle bedrohlich hinter mir und kontrollieren streng, ob ich nichts dem Hund ‚Quincy’ gebe. Jeglicher Widerstand ist zwecklos, ich habe offen gestanden zwischenzeitlich kapituliert vor der irischen Gastfreundschaft und versuche das Beste aus dem Tag zu machen und schließlich ist mit Oscar Wilde „Mäßigung (…) eine verhängnisvolle Sache, denn nichts ist so erfolgreich wie der Exzess.“ [Die Seele des Menschen unter dem Sozialismus].

Es könnte ja schlimmer kommen … vielleicht gibt morgen ja noch zusätzlich etwas Lachs mit Rührei, Muschelsuppe, ein blutiges Minutensteak und zum Abschluss ein kleines Pfefferminz?

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Seit langen das beste...
Seit langen das beste Gedicht was ich gelesen habe....
Laura Kinderspiel - 12. Nov, 11:30
wow..
..echt "hot" diese Sonnenblumen.. seit langem die beste...
jump - 6. Sep, 11:53
Danke
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huflaikhan - 28. Aug, 08:25
Ich mag sowas ja sehr...
Ich mag sowas ja sehr gerne lesen, vor allem richtig...
huflaikhan - 26. Dez, 16:15
Hatschi
... ok, bin wieder auf dem Boden der Tatsachen.. ;-)
jump - 17. Dez, 19:18
So weit!
Ja genau, also doch schon gar sooo weit ;-).
BusterG - 17. Dez, 00:26
Das ist in der Nordeifel:...
Das ist in der Nordeifel: Heimbach in Nebel und Sonnenschein.
BusterG - 17. Dez, 00:24
Geschätzte Wassertemperatur:...
Geschätzte Wassertemperatur: ca zwei Grad, also vielleicht...
BusterG - 17. Dez, 00:23
Danke
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BusterG - 17. Dez, 00:21
Natürlich ist das ...
... AUCH an Dich gewandt. Ich würde doch sonst nicht...
BusterG - 17. Dez, 00:21

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