Simplify your brain
“If people do not believe that mathematics is simple,
it is only because they do not realize how complicated life is.”
[John von Neumann]
Wo doch heutzutage alles simplifiziert werden muss, damit überhaupt noch jemand zuschaut, teilnimmt oder wenigstens nicht auswandert. Anschaulich demonstriert derzeit an den zahllosen Jahresrückblicken, die sich allesamt dadurch auszeichnen, dass sich ein Jahr in sechzig bis neunzig Minuten inklusive Show-Acts darstellen lassen muss. Alle fünf Minuten muss ein Lacher eingebaut sein, sonst drohen massive Zuschauerabwanderungen zu Popp die Super-Stars und Such den Super-Hund. Nur den historisch Interessierten daher nachfolgend einen Text als Anschauungsbeispiel, wie vor 101 Jahren leichte Unterhaltung gepflegt wurde, nahegelegt - „Wie die Weiber man behandelt“:
„Der einen macht man Komplimente. So und so und so und so und schmeichelt, schmeichelt ohne Ende. So und so und so und so; der andren muss man imponieren. So und so und so und so und darf sie auch sogar sekkieren. So und so und so und so. Die dritte, die will Zärtlichkeiten. So und so und so und so, die vierte, die will zanken, streiten. So und so und so und so; die fünfte will nur tanzen, lachen. So und so und so und so. Dann wollen sie noch andre Sachen so und so und so -- und so.“ [Franz Lehár: Lustige Witwe, 2. Akt].
Ich habe ein durchaus gebrochenes Verhältnis zur Operette und zum gar nicht so ganz unkomplexen Lieblingskomponist von Hitler - die Lustige Witwe war für den das Größte. Der verehrte T. W. Adorno sagte über die Wirkung des Schlagers und seine gesellschaftliche Funktion:
„Schlager beliefern die zwischen Betrieb und Reproduktion der Arbeitskraft Eingespannten mit Ersatz für Gefühle überhaupt, von denen ihr zeitgemäß revidiertes Ich-Ideal sagt, sie müssten sie haben.“
Und auch in der Schlange bei meiner Post kann Mensch nun endlich Fernsehen und muss nicht mehr nachdenken ob ihm noch eine Briefmarke fehlt oder er zufrieden ist mit der Gesundheitsreform. Aber auch im Kaffee nebenan prangt ein nagelneuer überdimensionalerLSD LCD-Bildschirm. Alles wird einfacher, alles erklärbarer. Nachdenken wird delegiert und alle vier Jahre denken wir darüber nach, das Fernsehprogramm zu wechseln. War da noch was? Aber ja, vor grade mal 109 Jahren:
„CYRANO, rouvre les yeux, la reconnaît et dit en souriant
Mon panache.“ [Edmond Rostand: Cyrano de Bergerac]
it is only because they do not realize how complicated life is.”
[John von Neumann]
Wo doch heutzutage alles simplifiziert werden muss, damit überhaupt noch jemand zuschaut, teilnimmt oder wenigstens nicht auswandert. Anschaulich demonstriert derzeit an den zahllosen Jahresrückblicken, die sich allesamt dadurch auszeichnen, dass sich ein Jahr in sechzig bis neunzig Minuten inklusive Show-Acts darstellen lassen muss. Alle fünf Minuten muss ein Lacher eingebaut sein, sonst drohen massive Zuschauerabwanderungen zu Popp die Super-Stars und Such den Super-Hund. Nur den historisch Interessierten daher nachfolgend einen Text als Anschauungsbeispiel, wie vor 101 Jahren leichte Unterhaltung gepflegt wurde, nahegelegt - „Wie die Weiber man behandelt“:
„Der einen macht man Komplimente. So und so und so und so und schmeichelt, schmeichelt ohne Ende. So und so und so und so; der andren muss man imponieren. So und so und so und so und darf sie auch sogar sekkieren. So und so und so und so. Die dritte, die will Zärtlichkeiten. So und so und so und so, die vierte, die will zanken, streiten. So und so und so und so; die fünfte will nur tanzen, lachen. So und so und so und so. Dann wollen sie noch andre Sachen so und so und so -- und so.“ [Franz Lehár: Lustige Witwe, 2. Akt].
Ich habe ein durchaus gebrochenes Verhältnis zur Operette und zum gar nicht so ganz unkomplexen Lieblingskomponist von Hitler - die Lustige Witwe war für den das Größte. Der verehrte T. W. Adorno sagte über die Wirkung des Schlagers und seine gesellschaftliche Funktion:
„Schlager beliefern die zwischen Betrieb und Reproduktion der Arbeitskraft Eingespannten mit Ersatz für Gefühle überhaupt, von denen ihr zeitgemäß revidiertes Ich-Ideal sagt, sie müssten sie haben.“
Und auch in der Schlange bei meiner Post kann Mensch nun endlich Fernsehen und muss nicht mehr nachdenken ob ihm noch eine Briefmarke fehlt oder er zufrieden ist mit der Gesundheitsreform. Aber auch im Kaffee nebenan prangt ein nagelneuer überdimensionaler
„CYRANO, rouvre les yeux, la reconnaît et dit en souriant
Mon panache.“ [Edmond Rostand: Cyrano de Bergerac]
BusterG - 28. Dez, 21:09