klandestin

Sonntag, 28. September 2008

Ästhetische Fallhöhe: Das kann ich auch!

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„I ordered this yellow thing from the exhibition assistants but later on I completely forgot the reason for this.“ [The Yellow Blob Story, “The Absent-minded Man”-Project, 1997]

Der 1957 in Sofia geborene Nedkov Solakov, jüngst geadelt durch gleichzeitige Beteiligung an der Biennale Venedig und der Documenta ist noch bis Mitte November im Kunstmuseum Bonn zu sehen.

Mindestens ebenso selbst ironisch, humorvoll wie unterhaltsam ist er etwa in „God News, Bad News, 1998“ bei dem Kinderspielzeug auf dem Boden drapiert, von einem Spot reißerisch angestrahlt und mit einem Text auf dem Boden versehen ist. Oder etwa in „A (not so) White Cube, 2001 ff.“ einem weißer Raum mit kleinteiligen, auf den Wänden mit Filzstift aufgebrachten, Anmerkungen (Bsp.: „A hiden energy, a hostile one“). Der Kurator Stephan Berg kommentiert hierzu etwas zu kopflastig-gewichtig nietzeanisch:

„Es sind Arbeiten die unsere Sehgewohnheiten verändern, die unseren Blich auf die kleinen Unzulänglichkeiten, die Störungen im ansonsten nicht hinterfragten Zusammenhang offen legen. Und immer verwandelt sich dabei das Nichts, das es auf den ersten Blick zu sehen gibt, bei näherer Betrachtung in einenweit verästelten Kosmos voller Geschichten, Anmerkungen und Abschweifungen“

Vieles hat so ein bisserl Ostblockflair, etwa wenn er zu schockieren glaubt indem er mit der Arbeit „Help Yourself“ Kanapees ausstellt wovon eines mit den Fingernägel des Künstlers angereichert ist, er in einem Glaskolben seine Popel zur künftigen Wiederverwendung aufbewahrt oder in „Some Nice Things to Enjoy, While You Are Not Making a Living, 2007/08“ immer wieder dialogische, interaktive Strukturen betont denen ein (mindestens Bonner) Publikum nicht gerecht wird.

Die Ausstellung ist aber schon allein wegen seiner zwei (naiv-)poetischen Zeichnungsreihen („Fears 2006/07, 99 Blätter“ und „… And They Lived Happily Ever After, 1999) empfehlenswert, auch „Top Secret, 1989/90“ in der er seine eigene Spitzeltätigkeit für den bulgarischen Geheimdienst aufarbeitet ist sehenswert provokativ-vielschichtig und gleichzeitig selbst ironisch humorvoll.

Samstag, 10. Februar 2007

Der Marsch der Vernunft durch die Welt

Der einzelne Mensch, mithin auch und vor allem ich, ist ja in Hegels System der „Träger des Geistes“ und „ein Moment auf dem Weg hin zum Absoluten“. Die verregnete, kalte Natur dagegen, durch die ich heute Vormittag mit zunehmend verächtlicherem Blick streifte, der „Abfall der Idee von sich selbst“ [Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften Bd. II, F.a.M. 1986, S. 28] und ohne jede Freiheit: „Die Natur zeigt daher in ihrem Dasein keine Freiheit, sondern Notwendigkeit und Zufälligkeit“ [ebd., S. 27].

Umso verwunderter war ich, inmitten dieser freiheitslosen Baumwüste ein Artefakt vorzufinden, das mich versöhnlich an zarte Jugendjahre erinnerte: Auf einem Schild das behelfsmäßig an einem Baum befestigt wurde, fand ich ein neckisches Männlein im Walde. Die Rede ist von „Trimmy“, ein arg dümmlich grinsendes Wesen mit überdimensioniertem, viereckigem Kopf, der stark an frühe Fernsehgeräte erinnert, einer sehr fragwürdigen Turnhose und ewig auf der Lauer liegend per Anhalter weiterzukommen. „Trimmy“ war Maskottchen der „Trimm-Dich-Bewegung“ des Deutschen Sportbundes der ab März 1970 zum Zwecke des „Trimmens“ breiter Bevölkerungsschichten zahllose „Trimm-dich-Pfade“ in die unfreie Natur holzte. Vorbild hierfür war Norwegen von wo auch das Wort „Trim“ entlehnt wurde, bei den Eidgenossen wurde - wesentlich eleganter - auf dem „Vitaparcours“ die Schulter ausgerenkt.

Schöpfer und Graphiker Dieter Sihler wollte „Trimmy“ (laut eigener Aussage) optimistisch und unkompliziert wirken lassen und auf emotionale Weise darstellen, dass Bewegung auch mit großem Kopf und fremdländisch anmutender Kleidung gut tut. Nun scheint auch dies mir wieder ein überaus eindrucksvolles Beispiel dafür zu sein, dass das schiere „gut meinen“ noch lange nicht zu einem auch nur annähernd befriedigenden Ergebnis führt. Steht doch „Trimmy“ aus moderner Fitness-Sicht für den äußerst unbeholfenen Versuch, mit robustem Turngerät - sprich ein paar Baumstämmen, Stangen und Seilen – herumzuhampeln inmitten von Killerwespen, Zecken, tollwütigen Füchsen und grellbunt bekleideten Sonntagsspaziergängern. (Problembären waren seinerzeit gnädigerweise alle totgeschossen). Ergo und sehr zu Recht gerät „Trimmy“ zum ewigen Symbol der Jungsteinzeit für freudlose Leibesertüchtigung, Achselnässe und Fußschweißgeruch.

Tempus fugit: Wahre Fitness, das ist heute unbestrittenes Allgemeingut, kann ohne Halogendeckenbeleuchtung, Personal Trainer, Chromblitzende Sportgeräte, linksdrehende Energy Drinks, Fettschmelz- und Muskelaufbaupräparate und ohne Dauermedikation mehrerer 24Stundenachselschweißsprays nicht ernst genommen werden und jeder Versuch ohne diese zwingend notwendigen Hilfsmittel wäre der weithin schallenden Lächerlichkeit preisgegeben.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war dies die letzte Sichtung des zwischenzeitlich schon als ausgestorben geltenden, überaus menschenscheuen „Trimmy“. Und wenn vermutlich auch letzte einzelne Exemplare verborgen im tiefen dunklen Kottenforst noch eine Weile überdauern werden, ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis rührige Anthropologen oder gar Sportarchäologen die Fetzen der letzten schwarzen „Trimmy“-Sporthose in die laufenden Kameras halten zum Beweise, dass auch dieser überaus sympathische Zeitgenosse für immer von uns gegangen ist.

Nun sind bekanntlich unsere Medien voll von Wehklagen über Dinge, die ausgestorben oder in Vergessen geraten sind. Nach einer aktuellen Umfrage trauern etwa nahezu 65% der Deutschen der DMark hinterher. Von anderen schwerwiegenden Verlusten wie dem Tyranosaurus Rex oder zum Beispiel den störungsfreien schwedischen Kernkraftwerken ganz zu schweigen.

Ob dies dann im Hegelschen Deutungssinne der Menschheitsgeschichte als der „Marsch der Vernunft durch die Welt“ bezeichnet werden kann oder Schelling doch näher am subjektiven Empfinden liegt, weil alles zu einem „eintönigen, beinah einschläfernden Fortschreiten (...) völlig ohne wahres Leben“ führt [Schelling: Zur Geschichte der neueren Philosophie. Münchner Vorlesungen, Stuttgart 1856, S. 212], möchte ich nun aber besser der messerscharfen Urteilskraft der vieltausendköpfigen Leserschaft überlassen.

Sonntag, 2. Juli 2006

Wir lassen foltern

Der Verfassungsschutz muss nach den Worten seines Präsidenten Heinz Fromm im Anti-Terror-Kampf auch Informationen nutzen, die durch Folter gewonnen wurde, so Fromm im Deutschlandfunk heute:

„Wenn sie [eine Information] von Relevanz ist, etwa im Zusammenhang mit der Verhinderung eines Ereignisses hier in Deutschland, dann müssen Sie diese Information auch nutzen.“
Dies gelte auch, wenn es Hinweise darauf gebe, dass sie erpresst worden sei. Der Nachsatz ist eigentlich insofern überflüssig, als dass BKA-Beamte bisher in keinem der berüchtigten Foltergefängnisse irgendwelche Anhaltspunkte für Folter gefunden haben wollen. Am Prinzip des Outsourcing von Folter scheint aber weiterhin festgehalten zu werden: Bereits im letzten Jahr hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble auf der Nutzung von durch Folter im Ausland gewonnenen Informationen bestanden.

Bleibt aus Sicht von Schäuble, VS und BKA also nur zu hoffen, dass Guantánamo und die CIA-Knäste in Osteuropa und Afghanistan nicht geschlossen werden Die UN-Anti-Folter-Konvention ist völkerrechtlich verbindlich und gilt für Deutschland seit dem 31. Oktober 1990. Wäre Schäuble konsequent, müsste er den Prozess der De-Ratifizierung der Konvention einleiten, oder er bemüht sich um die Einführung einer "Handhabungsklausel" nach der die Konventiuon tageweise ausser Kraft gesetzt werden kann wie ein unbrauchbares Schengen-Abkommen.

In den USA ist die Diskussion um „legale“ Folter zwischenzeitlich breit entbrannt. "Ein Recht auf Folter" forderte etwa US-Staranwalt Alan Dershowitz mit dem Hinweis auf die so oft bemühte tickende Bombe in Händen von Terroristen. Da weltweit gefoltert werde –auch in Demokratien, sollte man die Folter gesetzlich regeln, so Dershowitz.

Die Würde des Menschen ist antastbar, näheres regelt ein Bundesgesetz.

Die Folter ist der elementarste Angriff auf den Kern, die Integrität des Menschen und mittelbar des Gemeinwesens. Ein Rechtsstaat hört auf zu bestehen, wenn er foltert. Er ist verpflichtet, auch die Rechte derer zu achten, die ihn zerstören wollen und Folter ist kein Phänomen, das historisch einmal überwunden wurde, sondern sie ist ein Ungeheuer, das immer wieder neu überwunden werden muss.

Mittwoch, 14. Juni 2006

Endspiel II

Heute vor 66 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau eröffnet. Im April 1940 befahl Himmler den Bau eines großen KZ-Lagers auf dem Gelände einer alten Kaserne in Auschwitz (poln. Oświęcim). Anfänglich als Durchgangslager gedacht, wurde es aber bald zum größten Konzentrations- und Vernichtungslager des Dritten Reichs.

Wird mir das Leben gar zu toll
Dann geh ich zu die Blinden
Da lach ich mir den Buckel voll
Wenn sie die Tür nicht finden.
Die Lahmen lock ich in ein Haus
Wohl in ein dunkles Gangerl
Zieh ihnen die Prothesen aus
Und spiel mit ihnen Fangerl.
(Und der Refrain:)
Krüppel haben so was Rührendes
Krüppel haben was Verführendes
Wenn ich bei einem echten Krüppel bin
Freut sich sowohl mein Herz als auch mein Sinn.

Peter Hammerschlag, Krüppel-Fox (Auszug) wurde 1942 im Konzentrationslager Auschwitz ermordert.

Freitag, 2. Juni 2006

Erinnert sich noch jemand an die Avantgarde?

„Die Bewegung wird nicht dadurch zur Avantgarde, dass sie sich einfach so nennt.“ [...]

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Laura Kinderspiel - 12. Nov, 11:30
wow..
..echt "hot" diese Sonnenblumen.. seit langem die beste...
jump - 6. Sep, 11:53
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Hatschi
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jump - 17. Dez, 19:18
So weit!
Ja genau, also doch schon gar sooo weit ;-).
BusterG - 17. Dez, 00:26
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Das ist in der Nordeifel: Heimbach in Nebel und Sonnenschein.
BusterG - 17. Dez, 00:24
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Geschätzte Wassertemperatur: ca zwei Grad, also vielleicht...
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