Exposé-Enthüllungen
„Die Götter wohnen überall,
sie anzuflehn steht schwachen Menschen schön.“
[F. v. Schiller: Die Horen]
Grundsätzlich nennen die ja jeden Fetzen Papier den sie einem rüber reichen hochtrabend ein „Exposé“. Sie reichen auch nur, wenn man sich schon mal nackig macht; einer wollte gar wissen, was ich monatlich verdiene bevor er mir zwei Seiten Geschmiere per Mail zukommen lässt, was ein verkommener Berufsstand.
Solche Enthüllung gehört zwischenzeitlich zu meinem täglich Brot und nur mit großer Mühe widerstehe ich der alltäglichen Versuchung meine Berufsbezeichnung entsprechend zu variieren. (Die sehr belesene, vieltausendköpfige Leserschaft hat zwischenzeitlich fraglos auch schon die zarte Doppeldeutigkeit meines enthüllend-exposierten Schreibens mit einem wissend-zarten Aufhorchen quittiert.) Jedenfalls hat die Lektüre so schlecht genannter „Exposés“ derzeit den Stellenwert eingenommen, den früher die Morgenzeitung hatte. Aber wer schildert meine ehrliche, tägliche Entrüstung, wenn auf den Fotos schon wieder nur leere Wände, verlassene, weiß gestrichene Würfel abgebildet sind?
Nein, wahre Exposés leben auf mit ihren Bewohnern und deren Accessoires: Auf dem Werk das „Wohnzimmer vom Flur aus“ betitelt ist, ragt ein chromfarbener Wäscheständer halb ins Bild an dem ein rosafarbenes Lätzchen neben einer weißen Unterhose und schwarzen Socken aufgereiht ist. Im Hintergrund an der Wand ist eine Art Harlekin drapiert, umrankt von einer Deutschlandfahnen-Lichterkette. Ein anderes „Wohnzimmer mit Blick auf den Balkon“ zeigt die Rückansicht eines braunen, recht großen, kurzhaarigen Hundes mit erhobenem Schwanz, eine arg flitterbunte Decke liegt auf der cremefarbenen Couch über der prangt ein Bild mit einem großen, roten Herzen umrankt von allerlei ridikülen kleinen Herzen. Das „Wohnzimmer Aluminiumstraße in Grevenbroich“ (nie hatte ich solches angefordert, wer wollte auch dort wohnen?) ist gar bevölkert mit einem älteren Mann der auf dem Glascouchtisch vor sich neben dem übervollen Aschenbecher ein Glas Rotwein stehen hat und auch einen Rührkuchen, auf der Auslegware krabbelt ein hellblau bekleidetes Kind zwischen Bauklötzen und einer verschämt abgestellten Weinflasche, im Fernseher ist viel grüner Rasen zu sehen.
Maklerbrut jetzt aber hergehört: Solche Darstellungen möchte ich ab heute sehen, möchte gierig voyeurhaft verfolgen können wie andernorts ganz unbekümmert gewohnt, getrunken, gewaschen und gekrabbelt wird und nicht bitte diese sakrotan-leeren, klinischweiß-getünchten Hühnerkäfige mit immerdemgleichen öden Buchenlaminat und immerdergleichen faden Rauhfasertapete in immerdemgleichen schwachsinnig gutgeschnitten-hellem Wohnzimmer. Ist das so schwer?
Nun gut: Wahre Poesie ist nun wirklich nicht Jedem gegeben und denen, die wie ich darüber im Übermass verfügen, wächst die Verantwortung der Teilhabe Anderer zu. Ich könnte ja vielleicht stark überteuerte Fortbildungsseminare für euch veranstalten. Freilich müsste ich mich für ein zielgruppenaffines Wording gefährlich weit herablassen. Auf dem Bild „Großzügiges Südseite-Wohnzimmer mit Sonnenbalkonzugang“ wäre dann die ganze Familie um die kukidenstrahlende Großmutter versammelt, auf ihrer Tagesdecke der dicke schnurrende Kater im Hintergrund ein Bravo Starschnitt von Andre Rieu. Die Komposition „Luxuriöses Wohnzimmer in der Luxemburger Straße“ enthielte die mit einem gestreiften Hosenanzug bekleidete Hausherrin, die ihrem im gemütlichen Designer-Fersehsessel mit Kaschmirdecke bedeckten Gatten ein Glas Cognac zur selbstverständlich wohlverdienten Feierabenderholung reicht, auf dem Marmorbeistelltischchen ein kaum angenagter Käseigel. Die knallige Variante „Wohnzimmer: Wo wohnen noch Spaß macht“ würde ein Paar im besten Alter zeigen, die sich über ihre Lesebrillen hinweg zuzwinkern und sich sehr sichtlich auf den seichten Krimi freuen und auch die zahllosen Kunden schwedischer Pressspanmöbel würden sich wieder finden unter dem Titel „Wohnzimmer: Zum Leben“ und überall wären quietschbunte Plastikmöbel zwischen quietschfidelen Plastikkindern und die bunte Mutti würde grade mal reinschauen ins Lebezimmer und der bunte Vati würde sich darüber ganz doll freuen und die Familie würde vielsagend bunt in die Kamera winken und jeder Betrachter wollte sofort, jederzeit und immer wieder in dieses unglaubliche Lebezimmer einziehen wollen. So macht man das, debil-senile Maklerbrut. Alles klar jetzt?
„Eng ist die Welt, und das Gehirn ist weit,
leicht beieinander wohnen die Gedanken,
doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.“
[F. v. Schiller: Wallensteins Tod]
sie anzuflehn steht schwachen Menschen schön.“
[F. v. Schiller: Die Horen]
Grundsätzlich nennen die ja jeden Fetzen Papier den sie einem rüber reichen hochtrabend ein „Exposé“. Sie reichen auch nur, wenn man sich schon mal nackig macht; einer wollte gar wissen, was ich monatlich verdiene bevor er mir zwei Seiten Geschmiere per Mail zukommen lässt, was ein verkommener Berufsstand.
Solche Enthüllung gehört zwischenzeitlich zu meinem täglich Brot und nur mit großer Mühe widerstehe ich der alltäglichen Versuchung meine Berufsbezeichnung entsprechend zu variieren. (Die sehr belesene, vieltausendköpfige Leserschaft hat zwischenzeitlich fraglos auch schon die zarte Doppeldeutigkeit meines enthüllend-exposierten Schreibens mit einem wissend-zarten Aufhorchen quittiert.) Jedenfalls hat die Lektüre so schlecht genannter „Exposés“ derzeit den Stellenwert eingenommen, den früher die Morgenzeitung hatte. Aber wer schildert meine ehrliche, tägliche Entrüstung, wenn auf den Fotos schon wieder nur leere Wände, verlassene, weiß gestrichene Würfel abgebildet sind?
Nein, wahre Exposés leben auf mit ihren Bewohnern und deren Accessoires: Auf dem Werk das „Wohnzimmer vom Flur aus“ betitelt ist, ragt ein chromfarbener Wäscheständer halb ins Bild an dem ein rosafarbenes Lätzchen neben einer weißen Unterhose und schwarzen Socken aufgereiht ist. Im Hintergrund an der Wand ist eine Art Harlekin drapiert, umrankt von einer Deutschlandfahnen-Lichterkette. Ein anderes „Wohnzimmer mit Blick auf den Balkon“ zeigt die Rückansicht eines braunen, recht großen, kurzhaarigen Hundes mit erhobenem Schwanz, eine arg flitterbunte Decke liegt auf der cremefarbenen Couch über der prangt ein Bild mit einem großen, roten Herzen umrankt von allerlei ridikülen kleinen Herzen. Das „Wohnzimmer Aluminiumstraße in Grevenbroich“ (nie hatte ich solches angefordert, wer wollte auch dort wohnen?) ist gar bevölkert mit einem älteren Mann der auf dem Glascouchtisch vor sich neben dem übervollen Aschenbecher ein Glas Rotwein stehen hat und auch einen Rührkuchen, auf der Auslegware krabbelt ein hellblau bekleidetes Kind zwischen Bauklötzen und einer verschämt abgestellten Weinflasche, im Fernseher ist viel grüner Rasen zu sehen.
Maklerbrut jetzt aber hergehört: Solche Darstellungen möchte ich ab heute sehen, möchte gierig voyeurhaft verfolgen können wie andernorts ganz unbekümmert gewohnt, getrunken, gewaschen und gekrabbelt wird und nicht bitte diese sakrotan-leeren, klinischweiß-getünchten Hühnerkäfige mit immerdemgleichen öden Buchenlaminat und immerdergleichen faden Rauhfasertapete in immerdemgleichen schwachsinnig gutgeschnitten-hellem Wohnzimmer. Ist das so schwer?
Nun gut: Wahre Poesie ist nun wirklich nicht Jedem gegeben und denen, die wie ich darüber im Übermass verfügen, wächst die Verantwortung der Teilhabe Anderer zu. Ich könnte ja vielleicht stark überteuerte Fortbildungsseminare für euch veranstalten. Freilich müsste ich mich für ein zielgruppenaffines Wording gefährlich weit herablassen. Auf dem Bild „Großzügiges Südseite-Wohnzimmer mit Sonnenbalkonzugang“ wäre dann die ganze Familie um die kukidenstrahlende Großmutter versammelt, auf ihrer Tagesdecke der dicke schnurrende Kater im Hintergrund ein Bravo Starschnitt von Andre Rieu. Die Komposition „Luxuriöses Wohnzimmer in der Luxemburger Straße“ enthielte die mit einem gestreiften Hosenanzug bekleidete Hausherrin, die ihrem im gemütlichen Designer-Fersehsessel mit Kaschmirdecke bedeckten Gatten ein Glas Cognac zur selbstverständlich wohlverdienten Feierabenderholung reicht, auf dem Marmorbeistelltischchen ein kaum angenagter Käseigel. Die knallige Variante „Wohnzimmer: Wo wohnen noch Spaß macht“ würde ein Paar im besten Alter zeigen, die sich über ihre Lesebrillen hinweg zuzwinkern und sich sehr sichtlich auf den seichten Krimi freuen und auch die zahllosen Kunden schwedischer Pressspanmöbel würden sich wieder finden unter dem Titel „Wohnzimmer: Zum Leben“ und überall wären quietschbunte Plastikmöbel zwischen quietschfidelen Plastikkindern und die bunte Mutti würde grade mal reinschauen ins Lebezimmer und der bunte Vati würde sich darüber ganz doll freuen und die Familie würde vielsagend bunt in die Kamera winken und jeder Betrachter wollte sofort, jederzeit und immer wieder in dieses unglaubliche Lebezimmer einziehen wollen. So macht man das, debil-senile Maklerbrut. Alles klar jetzt?
„Eng ist die Welt, und das Gehirn ist weit,
leicht beieinander wohnen die Gedanken,
doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.“
[F. v. Schiller: Wallensteins Tod]
BusterG - 14. Okt, 18:12