Novemberprogrome



„Da sitzen Sie also in ihren Badeorten und stellen uns zur Rede, weil wir mitarbeiten am Neubau eines Staates, der so einzig, dessen Ernst erschütternd, dessen innere und äußere Lage so schwer ist, dass es Iliaden und Äneiden bedürfte, um sein Schicksal zu erzählen. Diesem Staat und seinem Volk wünschen Sie vor dem ganzen Ausland Krieg, um ihn zu vernichten, Zusammenbruch, Untergang. Es ist die Nation, deren Staatsange-hörigkeit Sie besitzen, deren Wissenschafts- und Kunstpflege Sie Ihren ganzen geistigen Besitz verdanken, deren Industrie Ihre Bücher druckte, deren Theater Ihre Stücke spielte, der Sie Namen und Ruhm verdanken, von der Sie möglichst viele Angehörige zu Ihren Lesern wünschten und die Ihnen auch jetzt nicht viel getan hätte, wenn Sie hier geblieben wären (...) Wollen Sie mir also glauben, wollen Sie sich also nicht täuschen, was auch immer Europa ihnen zuflüstert, hinter dieser Bewegung steht friedliebend und arbeitswillig, aber, wenn es sein muss, auch untergangsbereit, das ganze Volk.“
[Gottfried Benn, Offener Brief, Deutsche Allgemeine Zeitung, 25. Mai 1933]

„Nicht die Erkenntnis gehört zum Wesen der Dinge, sondern der Irrtum.“
[Friedrich W. Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches]
huflaikhan - 9. Nov, 23:09

Das war ja nun titeltechnisch eine schwere Geburt. Eher aus Zufall habe ich neulich mal zu den Gedichten gegriffen. Ist schon harter Tobak.

Da war dann auch eine Art Biografie drin. Also der Irrtum Benns wurde einigermaßen heruntergespielt. Ich fragte mich unwillkürlich: Warum? Wie konnte das passieren? Er ist ja nicht alleine.

Gerade am Anfang schien für Zahlreiche die Sache nicht abgemacht. Auch Benatzky ließ sich beispielsweise verführen. War aber innerhalb sehr kurzer Zeit zu einer anderen Einstellung gekommen. Bei Benn hat dies wohl wesentlich länger gedauert.

Aber eben Benn, der es eben auch hätte früher schon besser wissen können und müssen. Schwierig.

BusterG - 10. Nov, 00:48

Titeltechnisch hieß der Beitrag zunächst „Reichskritallnacht“ (dies zur Erläuterung für Millionen-Leser, die dem geschäftsführenden Professor vom einzigartigen KuLTuR-BLoG gefolgt sind und sich wundern). Ich folge hier der Begriffskritik z.B. bei Wikipedia nur bedingt und bin durchaus der Meinung, dass der Begriff verwendbar ist. Schließlich aber habe ich befürchtet, dass die Vielschichtigkeit des Begriffs heutzutage so nicht mehr von allen wahrgenommen wird und habe einen neutraleren Begriff gewählt - ein Misstrauensvotum irgendwie gegen (einige) Leser.

Zu Benns Biographie: Ja, er hat (viel zu) lange den Ausgewanderten hinterher geredet und geschrieben (und dann auch noch den Nietzsche mit hineingezogen, eine kleine Rache von mir, das Folgezitat). Wollte wohl auch sehr lange gar nicht wahrnehmen, dass er schon früh als „entartet“ eingestuft war - ab Herbst 1933 auch Sendeverbot für Gedichte, ab Frühjahr 1934 durfte er keine Rundfunk-Vorträge mehr halten. Natürlich hätte er es wissen müssen. Benn wandte sich vom Nationalsozialismus nach eigenen Angaben schließlich ab, weil dieser „antikulturell eingestellt war“. In der folgenden „Inneren Emigration“ setzt Benn dem „Reich der Macht“ sein „Reich des Geistes“ entgegen? Und das reicht dann als Erklärungsmuster? Unverständlich, warum das nie richtig aufgearbeitet wurde, von ihm schon gar nicht (ich hatte die Tage „Doppelleben“, seine äh Autobiographie, in den Händen, daher die Bosheit hier). Solche Biographien fordern doch geradezu zum Nachfragen heraus? Und grade aus solchen zu lernen verspräche doch ungeahnte Einsichten? Nein sie geben ihm den Büchner-Preis (sehr zurecht!) und freun sich dass endlich Ruhe ist.

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