Wo der Wahn Sinn macht
Dschingl bälz dschingl bälz! Nu is aber wirklich genug, bitte umstellen auf Ostereier oder Alaaf oder was auch immer. Die längste Nacht jedenfalls ist Geschichte. Der Nachbar hat heute noch ein paar Illuminationen zusätzlich ans Haus genagelt - wo der Wahn Sinn macht graust mir nur noch.
In einer Nacht
In einer Nacht, die keiner kennt,
Substanz aus Nebel, Feuchtigkeit und Regen,
in einem Ort, der kaum sich nennt
so unbekannt, so klein, so abgelegen,
sah ich den Wahnsinn alles Liebs und Leids,
das Tiefdurchkreuzte von Begehr und Enden,
das Theatralische von allerseits,
das niemals Gottgestützte von den Händen,
die dich bestreicheln, heiß und ungewaschen,
die dich wohl halten wollen, doch nicht wissen,
wie man den andern hält, an welchen Maschen
man Netze flicken muss, dass sie nicht rissen -
ach, diese Nebel, diese Kältlichkeit,
dies Abgefallensein von jeder Dauer,
von Bindung, Glauben, Halten, Innigkeit,
ach Gott - die Götter! Feuchtigkeit und Schauer!
[Gottfried Benn: 1949]
BusterG - 23. Dez, 14:26