Die größte Sünde
Mein neuer Nachbar, soviel sollte ich dieser gänzlich unbedeutenden Randnotiz vielleicht vorausschicken, rechnet sich offensichtlich einer anderen sozialen Identität zu als ich oder gar die etwas verwirrte Bewohnerin eines Altersheim ganz in meiner Nähe es tun. Jene drei Handlungsträger trafen sich jedenfalls heute gegen 10 Uhr an einem überdurchschnittlich sonnigwarmem Maitag in der beschaulichen Beethovenallee und Henri Tajfel, Urvater der berühmten Tajfels Minimalgruppen-Experimente hätte sicher ganz und gar anders über diesen nur scheinbar unbedeutenden Zusammenhang berichtet. Nun ist aber bedauerlicherweise Henri Tajfel vor 25 Jahren in Oxford an Krebs gestorben, so dass Sie nun eben mit meiner gänzlich anderen Schilderung vorlieb nehmen müssen.
Alte Vögel sind schwer zu rupfen weiß ja der Volksmund. Vielleicht glaubte ja deswegen mein neuer Nachbar er könnte mit seinem silbernen Porsche-Geländewagen mit so stark überhöhter Geschwindigkeit am nahen Altersheim vorbeidonnern, dass eine die Strasse kreuzende Bewohnerin sich nur noch durch einen beherzten Sprung in meine Fahrbahn zu retten glauben konnte. Der Herr Nachbar fuhr jedenfalls unbeeindruckt weiter und ich - samt zwei Flaschen soeben erstandenen besten Abruzzenweins - mit meinem dunkelgrünen Stahlross in die hellblau getönte, bockspringende Greisin.
Der Montepulciano jedenfalls hatte ein wundervolles Jahr 2004 in den besten Lagen des Castello di Salle in 800 Metern zugebracht wo er von morgens bis abends von der lieblich mild-gütigen Sonne der Abruzzen tagein wie tagaus beschienen wurde. Hernach bettete der (mir persönlich bekannte) eher kleinwüchsige Bologneser Raffaelle ihn mit der unnachahmlichen Souveränität und Gelassenheit eines Spitzenkellermeisters zwei Jahre zur Reife und Ruhe acht Meter unter der Abruzzenerde in ein aus dem Kalkstein gehauenes Gewölbe in frische Eichenfässern aus den Dolomiten Südtirols bevor er nach umsichtiger Alpenüberquerung bestgelaunt von meiner wie immer bezaubernden Weinhändlerin in meine fürsorglichen Hände übergeben wurde und ich ihn mit größter Hochachtung und unter weitestgehender Vermeidung jedweder unbotmäßigen Erschütterung in Schrittgeschwindigkeit ins Nahe Zuhause chauffierte. Bis eben jener Nachbar und jene Blaugetönte meinen Weg kreuzten.
Als ich kurz darauf erneut bei meiner Weinhandlung eintrat und den Vorgang betroffen schilderte, sah mich mein liebster Weinhändler aus traurigen, 80-jährigen Augen an und sprach, seine Gattin an der wogenden Hüfte beherzt umfassend, an sich ziehend und in wie abwesendem Tonfall: „Wein verschütten ist die größte Sünde“. Inständig bat ich in das betroffene Schweigen hinein noch darum, die ganze Angelegenheit dem (mir persönlich bekannten!) Bologneser Raffaelle nicht anzutragen. Auch wenn er kleinwüchsig ist, hätte er sicher erwartet, dass ich ohne Rücksicht auf Greisin, Porsche und Schürfwunden alles zur Rettung seiner beiden Flaschen getan hätte und versprach zudem mutig, den nichtswürdigen Nachbarn bei nächster sich bietender Gelegenheit zur Rede zu stellen. Ob ich noch einmal zwei Flaschen kaufen kann?
Alte Vögel sind schwer zu rupfen weiß ja der Volksmund. Vielleicht glaubte ja deswegen mein neuer Nachbar er könnte mit seinem silbernen Porsche-Geländewagen mit so stark überhöhter Geschwindigkeit am nahen Altersheim vorbeidonnern, dass eine die Strasse kreuzende Bewohnerin sich nur noch durch einen beherzten Sprung in meine Fahrbahn zu retten glauben konnte. Der Herr Nachbar fuhr jedenfalls unbeeindruckt weiter und ich - samt zwei Flaschen soeben erstandenen besten Abruzzenweins - mit meinem dunkelgrünen Stahlross in die hellblau getönte, bockspringende Greisin.
Der Montepulciano jedenfalls hatte ein wundervolles Jahr 2004 in den besten Lagen des Castello di Salle in 800 Metern zugebracht wo er von morgens bis abends von der lieblich mild-gütigen Sonne der Abruzzen tagein wie tagaus beschienen wurde. Hernach bettete der (mir persönlich bekannte) eher kleinwüchsige Bologneser Raffaelle ihn mit der unnachahmlichen Souveränität und Gelassenheit eines Spitzenkellermeisters zwei Jahre zur Reife und Ruhe acht Meter unter der Abruzzenerde in ein aus dem Kalkstein gehauenes Gewölbe in frische Eichenfässern aus den Dolomiten Südtirols bevor er nach umsichtiger Alpenüberquerung bestgelaunt von meiner wie immer bezaubernden Weinhändlerin in meine fürsorglichen Hände übergeben wurde und ich ihn mit größter Hochachtung und unter weitestgehender Vermeidung jedweder unbotmäßigen Erschütterung in Schrittgeschwindigkeit ins Nahe Zuhause chauffierte. Bis eben jener Nachbar und jene Blaugetönte meinen Weg kreuzten.
Als ich kurz darauf erneut bei meiner Weinhandlung eintrat und den Vorgang betroffen schilderte, sah mich mein liebster Weinhändler aus traurigen, 80-jährigen Augen an und sprach, seine Gattin an der wogenden Hüfte beherzt umfassend, an sich ziehend und in wie abwesendem Tonfall: „Wein verschütten ist die größte Sünde“. Inständig bat ich in das betroffene Schweigen hinein noch darum, die ganze Angelegenheit dem (mir persönlich bekannten!) Bologneser Raffaelle nicht anzutragen. Auch wenn er kleinwüchsig ist, hätte er sicher erwartet, dass ich ohne Rücksicht auf Greisin, Porsche und Schürfwunden alles zur Rettung seiner beiden Flaschen getan hätte und versprach zudem mutig, den nichtswürdigen Nachbarn bei nächster sich bietender Gelegenheit zur Rede zu stellen. Ob ich noch einmal zwei Flaschen kaufen kann?
BusterG - 3. Mai, 17:09