Heimat – Versuch einer zwischenweihnachtlichen Reisereflexion

„Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom
Von fernen Inseln, wo er geerntet hat;
Wohl möchte auch ich zur Heimat wieder;
Aber was hab ich, wie Leid geerntet?

Ihr holden Ufer, die ihr mich auferzogt,
Stillt ihr der Liebe Leiden? ach! gebt ihr mir,
Ihr Wälder meiner Kindheit, wann ich
Komme, die Ruhe noch einmal wieder?“

[Johann C. F. Hölderlin: Die Heimat]




Also, so eine Heimat ist ja schon was Tolles. Obwohl, wenn du in der Heimat bist, ist sie oft gar nicht so toll. Deshalb gehst du woanders hin, sogar ins Rheinland. Aber selbst wenn man woanders hingeht, ist man wo daheim. So ist das.

Obwohl, wenn man weggeht, kommt man wohin, aber je schneller man geht, je kürzer ist man wo, dafür aber öfter, aber eben immer weniger daheim. Es gibt sogar manche, die sind nirgends daheim. So kann das kommen.

Mit einer Heimat gehörst du ja wohin. Andererseits, was ist, wenn es sie nicht mehr gibt? Man wohnt ja eigentlich immer wo. Manche wohnen trotzdem nirgends. Wer nirgends wohnt, der ist natürlich trotzdem wo, aber eben nicht in der Heimat. Meistens jedenfalls.

Man kann natürlich auch in der Heimat nirgends wohnen. Wer auf Dauer nirgends wohnt, der ist meist viel unterwegs. Die Frage ist dann eher: kommst du her oder gehst du hin? Obwohl, da musst du schon wissen, wo du bist. Ganz sicher.

Erst wenn du hier bist, kannst du sagen, du kommst von dort. Aber eigentlich kommt man ja gar nicht von dort. Man war vielleicht dort, aber man kommt von wo ganz anders, eigentlich jetzt. Aber viele sehen das gern auch mal anders. Ich nicht.

Und wenn du zurückkommst, bist du ja auch nicht mehr derselbe. Da ist ja nicht mehr viel von einem übrig, nicht dass man weniger wäre oder so, aber man ist eben inzwischen ein anderer. Selbst wenn die Heimat die gleiche wäre. Selbst dann.

Die Heimat, das ist wie ein Fluss, das fließt einfach so. Aber er ist halt nie gleich. Eigentlich gibt's ihn auch gar nicht, obwohl er lange schon fließt, aber eigentlich fließt er gar nicht, da jedenfalls nicht und mit jedem Tropfen ist er auch ein anderer, ist doch klar oder? Ganz klar.

Zu Hause ist die Heimat am schlimmsten zu ertragen Heimat wird mit jedem Kilometer Entfernung schöner. Und doch gibt’s Heimat bloß, wenn du dort bist. Andererseits ist alles Heimat - obwohl keiner bleibt ewig.



[Buster: Neckar III & IV, Heimat wird mit jedem Kilometer Entfernung schöner, 2006]
huflaikhan - 26. Dez, 19:15

Sehr komplex. Über meinen alten Kollegen Adorno sagt einmal ein Schwabe, seine Musik durchziehe etwas wie "Heimweh nach der Heimatlosigkeit". Das ist auch etwas, etwas was mir nahe stünde. "Heimat sei nämlich", meinte ein Essayist einmal, "kein Topos des Raumes, sondern einer der Zeit."

So neige ich selbst doch eher dem nicht aussprechbaren Plural von Heimat zu. Heimatlos kann man dann doch nicht auch ohne Heimat sein. Wenn ich es selbst wenigstens verstünde.

BusterG - 27. Dez, 20:20

Der Heimat so ganz den Raum zu nehmen halte ich für etwas überzogen. Allerdings: Der Raum ist keinesfalls immer gleich ausgedehnt und die Zeit sicher bedeutender. Ich kann manchmal durchaus „Europa“ als Heimat empfinden, manchmal ist es dann nur noch eine Stein am Flußufer, ein Baum. Interessant sicher auch, dass Mensch unterschiedlich Dialekt, Geruch, Geschmack und dergleichen im individuellen Heimatbild aufnimmt. Und restlos absurd wird der Heimatbergriff bei „Berufsvertriebenen“ die seit zwei Generationen die „Heimat“ nicht gesehen haben …

huflaikhan - 28. Dez, 11:35

Ich will ihr auch gar nicht den Raum nehmen. Das ist dann doch wohl sehr spezifisch. Die letzte Heimat, die ich verloren hatte, war, als meine Eltern umgezogen sind. Da war der Aufwachsensanker verschoben und nicht mehr mit auch nur annähernd ähnlichen Verbindungen neu besetzt worden.

Aber auch schon vorher: Die "Heimat" reduzierte sich immer deutlicher auf Wohnung, weil die ganze Umgebung sich änderte (weder Bewuchs, noch Bebauung, aber die Menschen). Fremde Heimat immer mehr.
sarin1a - 27. Dez, 21:39

Schön. Gesagt.

BusterG - 28. Dez, 21:16

Danke :-)
pollymere - 28. Dez, 13:49

Die Heimat, die sich verändert, ist in der Tat seltsam. Jedesmal, wenn ich da-heim bin, fühlt es sich eigenartig fremd an, weil das Dorf nicht mehr dasselbe ist. Das elterliche Haus ist sicherlich noch ein Heimatanker, aber so ganz eigentlich ist die Heimat im Kopf. Irgendwo in der Vergangenheit.

BusterG - 28. Dez, 21:19

Ja ich glaube, es wäre bequemer, wenn Heimat statisch wäre, sone Art Heimatkundemuseum. Andererseits: Teile meines Elternhauses nähern sich dem durchaus sehr an. Es gibt dort noch mein erstes Zimmer in Originalausstattung. Ich finde das furchtbar dort drin zu stehen ...
BusterG - 28. Dez, 21:22

@Hufi: Glaub ich. Bei so nem Umzug geht viel verloren. Manchmal sind solche Brüche aber heilsamer als eine folkloristisch-gemächliche Weiterentwicklung.

VierlagigeRastung - 28. Dez, 23:36

kenn ich sehr gut, bei mir hat sich - vermeintlich - gar nix verändert in der >heimat<.

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