abweichende ideologische Auffassungen
Rainer Kirsch, am 17. Juli 1934 in Sachsen geboren, ist Autor von Lyrik, Dramen, Erzählungen, Übersetzungen, Essays, Hörspielen und Kinderbüchern. Von der Universität in Jena wurde er wegen „abweichender ideologischer Auffassungen“ relegiert und „zur Bewährung“ in die Produktion geschickt. So wurde er Druckereihilfsarbeiter, Chemiearbeiter und Rübenernter in einer LPG und blieb doch immer Schriftsteller. 1973 wurde er aus der SED ausgeschlossen aber war dennoch weiter beschäftigt mit Aufträgen insbesondere für Hörspiele und Kinderbücher, die meist nicht in seine Werksausgabe aufgenommen wurden. Er zeichnet auch verantwortlich für eine beachtliche Menge an Übersetzungen aus dem Russischen und aus dem Georgischen. Unter anderen übersetzte er Jessenin und Achmatowa, Majakowski und Mandelstam. Nach der Wende, als er der erste frei gewählte Präsidenten des DDR-Schriftstellerverbandes wurde, war er Gegner dieser Art der Wiedervereinigung.
Sie schrie, kaum dass ich da war. Wenn ihr Mund
Mich küsst, da wo mir gut ist, in der Mitte
Sagte sie: Salz ist süß, und wenn die dritte
Stunde am Morgen kam, war noch kein Grund
In ihr, sie war so nass wie als sie kam
Wenn ich sie rührte, und erfand noch Worte
Für wie ich handelte und womit, die Orte
Vermengten sich sehr, weil sie’s wörtlich nahm
Dann schlug es fünf. Sie ging zur Arbeit. Zuvor
So, manchmal, heilt die Nacht des Tags Gebresten.
Wusch sie die Gläser ab, sie käme wieder
„Ein schön endloser Kehrreim, wie alte Lieder“
Und sprach mir nach der dritten Nacht ins Ohr:
„Mit dir ists das. Ich will: Sichres, verstehe ...“
Nun geht sie sanft in eine schöne Ehe.
[Rainer Kirsch: Ballade]
Sie schrie, kaum dass ich da war. Wenn ihr Mund
Mich küsst, da wo mir gut ist, in der Mitte
Sagte sie: Salz ist süß, und wenn die dritte
Stunde am Morgen kam, war noch kein Grund
In ihr, sie war so nass wie als sie kam
Wenn ich sie rührte, und erfand noch Worte
Für wie ich handelte und womit, die Orte
Vermengten sich sehr, weil sie’s wörtlich nahm
Dann schlug es fünf. Sie ging zur Arbeit. Zuvor
So, manchmal, heilt die Nacht des Tags Gebresten.
Wusch sie die Gläser ab, sie käme wieder
„Ein schön endloser Kehrreim, wie alte Lieder“
Und sprach mir nach der dritten Nacht ins Ohr:
„Mit dir ists das. Ich will: Sichres, verstehe ...“
Nun geht sie sanft in eine schöne Ehe.
[Rainer Kirsch: Ballade]
BusterG - 17. Jul, 23:21