Watervilles headless hero
„Avoid fuckin hangovers – stay drunk“ werde ich am Morgen von einem breit grinsenden Dubliner Workshopteilnehmer herzhaft begrüßt der dort, wo sich bei mir eine Tasse Earl Grey befindet, eine Büchse Beamish hält. Mein stay dry kommentiert er mit einem schiefen Grinsen. Anscheinend hat ein Teil der Gruppe nach dem ich die Aufgaben formuliert und mich in die ungeheuer beschauliche Kerry-Natur getrollt habe, mit dem Feiern und Fraternisieren begonnen und dies bis zum nächsten Morgen. Da solche Gruppendynamik allemal sinnstiftender sein kann als bunte Kärtchen zu bemalen und keiner so recht Lust hat, schlage ich vor Gruppen zu bilden die je ein Thema im Laufe des Tages irgendwie und irgendwo besprechen.
Die feierfreudigen Dubliner und Ken, der hochgewachsene und eigentlich recht aufgeschlossene Assistent des Lords stehen um mich herum, es ist aufgeregte Stimmung wie beim Schulausflug. Alle stimmen meinem Vorschlag zu mal nach Westen raus ans Meer zu fahren aber die Hauptstädter wollen fischen, Ken golfen, er hätte da einen Lieblingsplatz direkt an den Klippen, was mir schon mehr zusagt als sich im kalten Wasser stehend anzuschweigen, nur damit die Fische nicht verschreckt werden. Nun mag man berechtigt einwenden, dass schwiegen eine sehr wichtige gemeinsame Tätigkeit sein kann, aber als Teambildungsmaßnahme ist sie eher etwas für Fortgeschrittene, denen die Grundregeln des Nicht-Schweigens bereits geläufig sein sollten.
Wir trennen uns also, Ken und ich fahren – obwohl wir weder ein Team sind, noch es eine Maßnahme für uns bräuchte, ans Ende der Halbinsel. Der Golfplatzmanager akzeptiert aber mein Handicap nicht und so kommt kein Flight zustande was Ken ordentlich peinlich zu sein schien. Da just in diesem Moment aus dem Nieselregen ein ausgewachsener Landregen wird, hält sich meine Enttäuschung in sehr überschaubaren Grenzen. Der Greenkeeper schlendert neugierig her, stellt sich zu mir unters Dach der Driving Range und lacht meckernd laut als ich ihm erzähle, dass ich auf Weisung des Managers hier als rabbit nicht spielen darf. Murmelt etwas, was ich als „fuckin stupid ass“ interpretiere. Er erweist sich schneller als echter Kerryman vom dunkelgrünen Gummistiefel bis zur ausgebeult karierten Kappe, dabei sehe ich ihn immer wieder energisch mit den Beinen aufstampfend um, wie er auf meine verwunderte Nachfrage ob dies eine Kerry-Variante eines Riverdance sei, zu erklären, dies diene dazu, die Blutzirkulation anzuregen. Gut die Hälfte dessen, was er sagt, dabei immer eine zerkratzte englische Pfeife zwischen die gelben Zähne geklemmt, glaube ich zu verstehen. Früher hätte der Platze ja eine halbe Meile westwärts gelegen und zeigt mit dem abgekauten Mundstück aufs Meer. Alles erzählt er und man hört schnell, dass er es schon vielmals und vielen erzählt hat, alles sei dem Meere abgetrotzt, den Wikingern blutig abgerungen oder dem kargen Boden, die Besten wären die Ersten hier beim Auswandern.
Chaplin habe, flunkert der Wirt später, nur bei ihm gegessen, nie aber bei dem Wucherer gegenüber und deutet auf einen Pub auf der anderen Straßenseite an dem mit kindlichem Gemüt ein circa drei Meter großer Hummer an die Hauswand gemalt ist. Dann stellt er den seafood chowder vor uns ab und zeigt ganz ungefragt auf eine zerknittert-verblichene und auch etwas angegilbte Fotografie einer Fußballmannschaft an der Wand hinter uns und an der Stelle auf die er mit nikotingelbem Finger zeigt ist der Spieler vom vielen Reiben schon fast Kopflos. „Kerry 1969 All-Ireland Football Champion“ steht da und während ich noch über headless heroes nachdenke und wie gut es nun wäre, auch wer zu gewesen zu sein, vielleicht ein Boxer oder ein Rodeostar, verfällt Ken gleich in den vom Wirt offensichtlich gewünschten Championbewundersmodus und droht ganz die Fassung zu verlieren, dass wir hier in der nach altem Bratfett riechenden Kneipe eines Champions verweilen dürfen.
„Hier wundert man sich“, rezitiere ich J. M. Singe an der Strandpromenade gegen den anpeitschenden Starkregen und Ken lächelt vieldeutig, „warum noch jemand in Dublin oder London oder Paris wohnt, wo doch ein Leben in einem Zelt oder einer Hütte hier, an dieser großartigen See und unter diesem Himmel, hier, wo man Luft atmen kann, die wie Wein schmeckt, so viel besser erscheint.“ An der Uferpromenade angekommen frage ich Ken nach seinem Verhältnis zum Lord und ob und wann er sich als Nachfolger sieht. Da winkt er nur belustigt ab und antwortet lachend: „He’s a little Hitler, you know?“ Und dass er sich nach Dublin versetzen lässt, weil mit dem keiner zusammenarbeiten könne. Wir biegen grade auf die Hauptstrasse des Kaffs als wir keine hundert Meter vor uns die beiden Dubliner Kollegen schwanken sehen, jeder mit einer Büchse Devils Bite in der Hand, so sieht also angeln bei denen aus.
Und fast wäre es bei uns vieren irgendwie ganz gemütlich geworden da wir auf Plüschsofas im ‚Peter’s Café’ saßen, einem Bach-Chor lauschten und dazu homebaked Brownies vertilgten als der lütte Hitler himself in seinem verschrammten und ehemals gediegenen Dienstwagen in die Atlantic Street von Waterville geräuschvoll einbog.
Die feierfreudigen Dubliner und Ken, der hochgewachsene und eigentlich recht aufgeschlossene Assistent des Lords stehen um mich herum, es ist aufgeregte Stimmung wie beim Schulausflug. Alle stimmen meinem Vorschlag zu mal nach Westen raus ans Meer zu fahren aber die Hauptstädter wollen fischen, Ken golfen, er hätte da einen Lieblingsplatz direkt an den Klippen, was mir schon mehr zusagt als sich im kalten Wasser stehend anzuschweigen, nur damit die Fische nicht verschreckt werden. Nun mag man berechtigt einwenden, dass schwiegen eine sehr wichtige gemeinsame Tätigkeit sein kann, aber als Teambildungsmaßnahme ist sie eher etwas für Fortgeschrittene, denen die Grundregeln des Nicht-Schweigens bereits geläufig sein sollten.
Wir trennen uns also, Ken und ich fahren – obwohl wir weder ein Team sind, noch es eine Maßnahme für uns bräuchte, ans Ende der Halbinsel. Der Golfplatzmanager akzeptiert aber mein Handicap nicht und so kommt kein Flight zustande was Ken ordentlich peinlich zu sein schien. Da just in diesem Moment aus dem Nieselregen ein ausgewachsener Landregen wird, hält sich meine Enttäuschung in sehr überschaubaren Grenzen. Der Greenkeeper schlendert neugierig her, stellt sich zu mir unters Dach der Driving Range und lacht meckernd laut als ich ihm erzähle, dass ich auf Weisung des Managers hier als rabbit nicht spielen darf. Murmelt etwas, was ich als „fuckin stupid ass“ interpretiere. Er erweist sich schneller als echter Kerryman vom dunkelgrünen Gummistiefel bis zur ausgebeult karierten Kappe, dabei sehe ich ihn immer wieder energisch mit den Beinen aufstampfend um, wie er auf meine verwunderte Nachfrage ob dies eine Kerry-Variante eines Riverdance sei, zu erklären, dies diene dazu, die Blutzirkulation anzuregen. Gut die Hälfte dessen, was er sagt, dabei immer eine zerkratzte englische Pfeife zwischen die gelben Zähne geklemmt, glaube ich zu verstehen. Früher hätte der Platze ja eine halbe Meile westwärts gelegen und zeigt mit dem abgekauten Mundstück aufs Meer. Alles erzählt er und man hört schnell, dass er es schon vielmals und vielen erzählt hat, alles sei dem Meere abgetrotzt, den Wikingern blutig abgerungen oder dem kargen Boden, die Besten wären die Ersten hier beim Auswandern.
Chaplin habe, flunkert der Wirt später, nur bei ihm gegessen, nie aber bei dem Wucherer gegenüber und deutet auf einen Pub auf der anderen Straßenseite an dem mit kindlichem Gemüt ein circa drei Meter großer Hummer an die Hauswand gemalt ist. Dann stellt er den seafood chowder vor uns ab und zeigt ganz ungefragt auf eine zerknittert-verblichene und auch etwas angegilbte Fotografie einer Fußballmannschaft an der Wand hinter uns und an der Stelle auf die er mit nikotingelbem Finger zeigt ist der Spieler vom vielen Reiben schon fast Kopflos. „Kerry 1969 All-Ireland Football Champion“ steht da und während ich noch über headless heroes nachdenke und wie gut es nun wäre, auch wer zu gewesen zu sein, vielleicht ein Boxer oder ein Rodeostar, verfällt Ken gleich in den vom Wirt offensichtlich gewünschten Championbewundersmodus und droht ganz die Fassung zu verlieren, dass wir hier in der nach altem Bratfett riechenden Kneipe eines Champions verweilen dürfen.
„Hier wundert man sich“, rezitiere ich J. M. Singe an der Strandpromenade gegen den anpeitschenden Starkregen und Ken lächelt vieldeutig, „warum noch jemand in Dublin oder London oder Paris wohnt, wo doch ein Leben in einem Zelt oder einer Hütte hier, an dieser großartigen See und unter diesem Himmel, hier, wo man Luft atmen kann, die wie Wein schmeckt, so viel besser erscheint.“ An der Uferpromenade angekommen frage ich Ken nach seinem Verhältnis zum Lord und ob und wann er sich als Nachfolger sieht. Da winkt er nur belustigt ab und antwortet lachend: „He’s a little Hitler, you know?“ Und dass er sich nach Dublin versetzen lässt, weil mit dem keiner zusammenarbeiten könne. Wir biegen grade auf die Hauptstrasse des Kaffs als wir keine hundert Meter vor uns die beiden Dubliner Kollegen schwanken sehen, jeder mit einer Büchse Devils Bite in der Hand, so sieht also angeln bei denen aus.
Und fast wäre es bei uns vieren irgendwie ganz gemütlich geworden da wir auf Plüschsofas im ‚Peter’s Café’ saßen, einem Bach-Chor lauschten und dazu homebaked Brownies vertilgten als der lütte Hitler himself in seinem verschrammten und ehemals gediegenen Dienstwagen in die Atlantic Street von Waterville geräuschvoll einbog.
BusterG - 16. Sep, 00:17