Answer the call enter the daw
Erstes Gesprächsthema beim Smalltalk ist auch in Dublin gerne das Wetter und wie es nun mal bei grundoptimistischen Menschen wie den Dubs der Fall ist, versichern sich alle jederzeit und immerzu wie schön das Wetter ist, selbst wenn es unaufhörlich regnet. Wenn der Landregen allerdings in die Sprichwörtlichen ‚cats and dogs’ übergeht und selbst der Mutigste sich nicht mehr traut das Wetter zu loben, versichern sich alle jederzeit und immerzu, dass das Wetter morgen gewiss wieder schön sein wird. Seit Tagen ist allerdings strahlender Sonnenschein in Dublin und ein so blauer Himmel wie ihn Touristen nur von den Postkarten her kennen und alle fotografieren sich und alles immerfort gegenseitig vor blauem Himmel und keiner traut sich mehr das Wetter zu loben grade so als ob das ausgesprochene Lob zu Regenwetter führen würde.
[Rachel Whitehead: Modern Chess Set, 2005, S. Guiness Galery, Eustace Street]
Schon Leopold Bloom im Ulysses konnte sich einen Tag in Dublin ohne Pubs gar nicht vorstellen und nachdem ich die erste von zwei Präsentationen des Tages launisch mit Oscar Wildes Zitat “I am not young enough to know everything” tiefstapelnd eröffnete und alles leidig gelungen war, musste ich also zum Mittag mit den Kollegen in die Barge Bar an der Charlemont Street, ein Etablissement das mittags von Anzugträgern der umliegenden Docklands bevölkert wird (und solchen wie mich, die gerne einen hätten). Als plötzlich der teutonische Oberstudienrat gekleidet in Wanderschuhen, Kniebundhosen und Lodenjacke aus deren Seitentasche ein schlecht gefalteter Stadtplan neben mir aufragt und seine Begleiterin hat - wie ichs schon in Limerick vorherwahrsagte rote Wandersocken zu etwas mit Dirndlhafter Anmutung an. In seiner Hand einen etwas abgegriffen Ulysses in der ihren ein Baedecker versucht er in einer Sprache, die er wohl für Irisch hält, einen Whiskey zu bestellen. „uisce beatha“ wiederholt er mantrahaft während er sich bei seiner Frau in stark oberbayerischem Dialekt darüber beschwert wie alles früher viel tiefsinniger war als heute und wie schade es ist, dass das Dublin des Ulysses verschwunden sei unter all diesen Neubauten. Als auch ein erneuter Orderversuch nur ein verständnisloses Grinsen beim Barman auslöst und meine Banker von einem vornehm amüsierten Kichern in ein infernalisches Gelächter auszubrechen drohen angesichts dieser ridikülen Szene spreche ich den Herrn an und gebe ihm den Hinweis, dass er mit einer halbwegs englischen ausgesprochenen Bestellung sicher schneller ans Ziel kommen werde. „Das meiste in gälischen Wörtern“ aufkläre ich ihn jetzt ganz zielgruppenorientiert Oberstudienratskonform, „spricht man nicht aus, und das, was man ausspricht, spricht man anders aus“, es sei also besser er vermeide Irisch rate ich distinguiert. Im Übrigen würden auch viele Dubliner es auch dann nicht verstehen, wenn es korrekt ausgesprochen würde, rutsche ich ins Konjunktive, weil sie Irisch in der Schule wie eine Fremdsprache gelernt und danach wieder vergessen haben.
Rein literarisch sei das schon schade, wiederholt er sich jetzt weinerlich zu mir gewandt, dass alles sich, dass das good dirty old Dublin sich so ändere und sagt „you can call me Alois“, er sei ja Oberstudienrat aus Oberbayern. Ich bitte einen der immer noch kichernden Kollegen das einzige irische Sprichwort auszusprechen das ich kenne: “Is fearr an t-imreas ná an t-uaigneas.” Was übersetzt so viel bedeutet wie “Besser der Streit als die Einsamkeit.“ Es ist der Lieblingsspruch des Poeten und wüsten Trinkers Brendan Behans, wohl nur deshalb kenne ich es. Und nachdem er seinen Whiskey und die Rotbesockte ein Glas Cider getrunken haben hat er etwas in seinem mit Lesezeichen gespickten Ulysses geblättert und fragt mich auch noch nach dem Weg zum Davy Byrne’s. „Sie wollen jetzt bitte nicht so dorthingehen um ein Glas Burgunder und ein Gorgonzola-Sandwich mit Senf zu essen?“ antworte ich sehr barsch und beide erschrecken rechtschaffen, weil ich sie in Deutsch angesprochen habe und für die Banker, die es in der kurzen Mittagspause zwischenzeitlich zum dritten Pint geschafft haben, brechen endgültig in Gelächter aus, das lauthalser gar nicht mehr sein könnte und Oberstudienrat Alois nebst seiner Rotbesockten Begleitung eilen erschrocken am Grand Canal davon.
Les White, der Besitzer der Eclectic Galeriea „the brown envelope“ in der es vor knick-knacks und gewgaws nur so wimmelt, sonnt sich in der Dean Street. Und als wir grade so darüber plaudern wie denn die Geschäfte so laufen für Eklektisches beginnen die Glocken von St. Patrick, Irlands größter Kirche, in seinem Rücken zur Abendandacht zu läuten. Da wird er unvermittelt laut und wütend und meint, Cromwell hätte das schon ganz richtig gemacht als er die Kirche in einen Pferdestall verwandelt hätte. Auf meinen verwunderten Blick führt er schon wieder etwas ruhiger werdend aus: Kein Mensch brauche Kirchen, schon gar nicht solche, in der Priester an Touristen überteuert Salz- und Pfefferstreuer verscherbelten. Und bei diesem Wort scheint wieder der Geschäftssinn in ihm zu erwachen und er lockt mit großer Gestik und Mimik: Er hätte da einen unglaublich eleganten Art Deco-Spiegel in seiner Eclectic Galeria, den müsse ich einfach kaufen. Da antworte ich aber ganz katholisch reserviert: kein Mensch brauche elegante Art Deco-Spiegel und er lacht laut auf.
BusterG - 23. Sep, 00:14
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