„Kafka, Rilke, Werfel - diese Namen stehen heute für die Prager deutsche Literatur. Nahezu völlig vergessen ist, dass sich bereits eine Generation zuvor eine junge Pragerin erfolgreich in den gehobenen Zirkeln der deutschen Literatur bewegte: Lola Kirschner alias Ossip Schubin.“
Ihre Romane spielen in einer imaginären Welt des Adels. Sie beobachtet präzise, beschreibt pointiert die Langeweile eines Kurlebens, die Zähigkeit eines Fünfuhrtees, die Einsamkeit und Traurigkeit von herbstverwehten böhmischen Landsitzen ...
„Ich fürchte ja, obwohl es sich dabei um ein Paradox handelt, denn Ossip Schubin war eine Erfolgsschriftstellerin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit einer großen Produktion — sie hat rund 45 Romane bis zum Ende ihres Lebens geschrieben. (...) Was sie gemacht hat, kann erklärt werden als die Reaktion einer sehr begabten Frau, die unter den gegebenen Bedingungen aber nur zur Beschreibung bestimmter Sphären gekommen ist.“
Schreibt die Literaturwissenschaftlerin Konstanze Fliedl über Ossip Schubin, geboren am 17. Juni 1854 in Prag. Das Pseudonym Ossip Schubin hat sie aus dem Roman „Helena“ von Turgenjew entlehnt.
“Am Allerseelentag verließ er das Schloss, ritt fort an der Spitze seines Zuges über die kotdurchweichten Straßen. Es war ein kalter, neblichter Morgen, durch die scharfe und graue Luft wehten die roten und gelben Herbstblätter, und schwarze Krähenzüge flatterten krächzend über die frisch geackerten Felder. Am östlichen Horizont arbeitet sich eine müde, schwache Sonne aus den kalten Windwolken heraus. Er sagte sich, dass es seine Lebenssonne war, die da am Horizont aufstrebte, — eine Sonne, die weder Glanz noch Wärme gab, nur ein wenig Licht —“ [Aus „Vollmondzauber“, 1898]
Im
Gutenbergprojekt der späte Roman "Maximum" und einige Novellen. Eine letzte Leseprobe für Neugierige:
„Um meine Ohren saust und braust es, vor meinen Augen flimmert ein roter Schein, in meinem Herzen ist ein wildes Toben und Nagen und in meinem Kopf ein trauriges Gewirr! –
Ich trage die Hölle in mir, und die Leute nennen diese Hölle »Wahnsinn!« – sperren mich in eine nüchterne weiße Zelle mit Fenstern, die so hoch vom Boden entfernt sind, daß ich nicht zu ihnen hinaussehen kann, und durch die das Licht armselig zwischen eisernen Stangen hereinkriecht! – – – “ [Die Galbrizzi. In: Schatten, Novellen]
BusterG - 17. Jun, 11:21