Donnerstag, 14. September 2006

Bildung auf Reisen

Als Herr von Quist von seinen langen Reisen
Zu Hause kam, erzählte Herr von Quist:
»Zu Frankfurt ist
Im rothen Hause gut zu speisen!«

[Johann W. L. Gleim: Bildung auf Reisen. In: Gedichte, 1790]

Mittwoch, 13. September 2006

Auf Reisen

„Ich fuhr nach Tirol. Das Kupee zweiter Klasse war gut besetzt. Neben mir saß ein würdig aussehender Herr mit langen Koteletten, offenbar der Gatte der beleibten Dame, welche so stark transpirierte und wie eine Moschusseife roch.

Die drei jungen Mädchen, welche aus ihren Reisetäschchen Ansichtspostkarten hervorholten und abwechselnd Lachkrämpfe bekamen, schienen die Töchter des Ehepaares zu sein. Der Herr mit den Koteletten versuchte mich in ein Gespräch zu verwickeln.

Ich muß hier eine Eigentümlichkeit meines Charakters erwähnen. Ich besitze ein überaus sanftes Temperament. Wenn mich aber im Friseurladen oder in der Eisenbahn ein Fremder anspricht, verspüre ich ein sonderbares Prickeln in der Kopfhaut. Ich begreife in solchen Augenblicken, daß es Kannibalen gibt, welche ihre Mitmenschen auseinandersägen lassen. Ja, ich beneide sie um die Macht hiezu.“

Und so weiter …

[Ludwig Thoma: Auf Reisen]

Dienstag, 12. September 2006

Wispel auf Reisen

„Im Wirtshaus zu D., einem kleinen Dorfe hörte ich etwas von den 2 Schlingeln. Derjenige, der sich Professor nennt, hatte in einer Trödelbude zu Reutlingen für seine letzten 30 Kreuzer ein Blatt von der Bohnenbergerischen Landes-Charte gekauft. Das Blatt umfaßte zufälligerweise den Distrikt von der Gegend bei Aalen, wohin sie auch gerade zu reisen hatten um den Druckapparat eines ruinierten Buchdruckers in der Auktion zu besehen. Der Professor glaubte, daß auf denselbigen sehr waldigen Wegen eine Charte höchst nötig sei: »Kaufen wir den Flächendeuter!« - sagte er zu seinem Bruder - »es ist auf alle Fälle!« Man kaufte das Stück und bei dem Dorfe E. von wo an es brauchbar wurde, breitete der Professor die ganze Papierrolle auf dem kleinen Schubkärchelchen aus, das er seit einiger Zeit mit dem wenigen Gepäck, das die beiden hatten, vor sich herzuführen pflegte.“

Und so weiter …

[Eduard Mörike: Wispel auf Reisen]

Montag, 11. September 2006

Reisen

Reisen soll ich, Freunde! reisen,
Lüften soll ich mir die Brust?
Aus des Tagwerks engen Gleisen
Lockt ihr mich zu Wanderlust?
Und doch hab ich tiefer eben
In die Heimat mich versenkt,
Fühle mich, ihr hingegeben,
Freier, reicher, als ihr denkt.
Nie erschöpf ich diese Wege,
Nie ergründ ich dieses Tal,
Und die altbetretnen Stege
Rühren neu mich jedesmal;
Öfters, wenn ich selbst mir sage,
Wie der Pfad doch einsam sei,
Streifen hier am lichten Tage
Teure Schatten mir vorbei.
Wann die Sonne fährt von hinnen,
Kennt mein Herz noch keine Ruh',
Eilt mit ihr von Bergeszinnen
Fabelhaften Inseln zu;
Tauchen dann hervor die Sterne,
Drängt es mächtig mich hinan,
Und in immer tiefre Ferne
Zieh ich helle Götterbahn.
Alt' und neue Jugendträume,
Zukunft und Vergangenheit,
Uferlose Himmelsräume
Sind mir stündlich hier bereit.
Darum, Freunde! will ich reisen;
Weiset Straße mir und Ziel!
In der Heimat stillen Kreisen
Schwärmt das Herz doch allzuviel.

[Ludwig Uhland: Reisen, 1834]

Sonntag, 10. September 2006

Das Reisen

Es gibt ein ganz billiges, ganz enttäuschungsloses Vergnügen, von Mitte Mai an die Fahrpläne zu studieren, und sich genau jenen Zug auszusuchen, mit dem man, falls. Also z. B. 8 Uhr 45, da bist Du ja bereits parat und sogar rasiert (denn unrasiert zu fahren ist nur ein halbes Vergnügen, da kann man noch eher auf das »Waschen« verzichten) also 8 Uhr 45 morgens mit der Südbahn, Eilzug, nach Payerbach, und von da mit dem Einspänner (mein bevorzugter heißt Michael Ruppert, Sohn) in den himmlisch idyllischen »Thalhof«. Dort unternimmst Du vorläufig gar nichts, zumal Du ja eigentlich noch in deinem Zimmer in Wien sitzest vor deinem Fahrplane. Genug, du bist bequem dort, vor dir der Wald, der Kuhstall, der Pferdestall, das Forellenbrünnl, das Wasch-Gartl, der duftende Holz-Schupfen, wo du einst, vor 30 Jahren …

Und so weiter …

[Peter Altenberg: Prosaskizzen - Das Reisen. In Vita ipsa, 1918]

Samstag, 9. September 2006

Bin kurz mal weg …



… aber nur für ne Woche, zur See fahren und so.
Und so ein bisserl was geht ja immer, hier auch.

„Was ist Reisen? Ein Ortswechsel? Keineswegs! Beim
Reisen wechselt man seine Meinungen und Vorurteile.“
[Anatole France]

In einem Witz schickt Hizbullah …

„In einem Witz schickt Hizbullah Libanons Sexikone und Popdiva Haifa Wehbe für Verhandlungen nach Israel. Haifa kommt schwanger zurück und sagt, sie bringe eine neue israelische Geisel.
Oder:
Was bedeutet es, wenn Hizbullah-Kämpfer zwei Finger in die Höhe strecken, das «Victory-Zeichen» machen? Nur noch zwei Häuser in Dahijeh...“

[Thomas Burkhalter in seinem Blog aus Beirut]

Freitag, 8. September 2006

Sarkasme wider den Pietism


[Simon Dittrich: Mörike,
Farbradierung, 1986. Bildquelle: Graphik International]

Sarkasme wider den Pietism

Wer wissen will, wie baigen, wie pikant
Der Christianism öfters Hand in Hand
Mit feinem Sündenreize webt
Dem biet ich folgendes Rezept:
Mir wismet' es ein Pietist
Der doch zugleich Lyäens nicht vergißt.

Man nimmt ein altes Evangilen-Buch
Um es in lauem Branntwein einzuwaichnen
Bringt's unter die Kompreß, um es dann durch ein Tuch
Bis auf den letzten Tropfen auszulaichnen:
So hast du einen Extrait d'Evangile,
Der mit Bedacht goutiert sein will
Du hast - ein Tröpfchen unter deinen Wein -
Ein wonne-schmerzlich Reu- und Buß-Tränklein!

[Eduard Mörike: Wispeliade, 1837]

Donnerstag, 7. September 2006

Die Landung

Thymian weht von den Bergen.
In der Sonne verdirbt
Vergossenes Öl,
weggeworfenes Fett
am Weg geschlachteter Tiere.
Fieberhaft schnattern die Wogen
Mit Schnäbeln der Angst;
Sie schlagen
Der Insel hörnerne Brust.
Flügel rauschen, behelmte
Hügel klirren am Rand.
Trunken vom Todeswein
Schaukeln riesige Schiffe.
Ohrenzerreissend
Pfeifen Todesboten
Aus stampfenden Donnergaleeren.
Rot und schwarz liegt es am Strand,
vergossenes Blut,
vertrocknete Fliegenspeise.
Unter schwärzlicher Sonne,
zwischen Netzwerk der Fischer und Krieger,
versiegen die Quellen des Blutes,
und an vergifteten Brunnen
liegen die Trinker.
Im purpurnen Meer
Zerfließen die Worte.

[Michael Guttenbrunner: Die Landung.
In: Griechenland. Eine Landesstreifung, 2001, S. 15]

gu:gln

„Mami was bedeutet Kulturpessimismus?“ „Frag Google!“

Sehr alt, ich weiß. Oder auch nicht, im Duden ist das Verb „googeln“ seit 2004 vertreten: Google wurde heute vor acht Jahren in einer kalifornischen Garage gegründet. Am selben Tag gab es eine erste Testversion des Programms und noch im gleichen Jahr ging die Suchmaschine offiziell ans Netz. Google erwirtschaftete letztes Jahr einen Gewinn von rund 1,5 Milliarden Dollar und auf Basis des aktuellen Wertpapierkurses ist Google gewichtiger als Daimler-Chrysler und die Deutsche Bank zusammen.

Was gab es noch mal für sinnstiftende Beschäftigung bevor Google-Spamming und Google Bowling erfunden war?
Womit haben sich Annoncen-Klicker in Internet-Cafés denn früher eigentlich finanziert?

Kein Artikel über Google ohne dass das Firmenmotto „Don’t be evil“ mantrahaft wiederholt wird. In der firmeneigenen Sushi-Bar werden die Google-Mitarbeiter kostenlos versorgt, im Zentrum des Google-Areals steht allen ein Google-Beach-Volleyballplatz zur Verfügung, Lavalampen und Elektroroller für rund 6000 Google-Mitarbeiter. Berichte über Google verlassen selten Boulevard-Niveau, vor allem weil das Unternehmen nicht mehr als das unbedingt gesetzlich Notwendige verlautbart.

Google ist international beherrschender Marktführer und hat in Deutschland rund 85% Marktanteil erreicht, ein Quasi-Monopol und der Micro$oft auf dem Suchmaschinenmarkt. Im klassischen Mediensektor ist solch eine Konzentration undenkbar. Auch Berufsoptimisten wird zunehmend unwohler bei dem Gedanken, das Wissen von einem omnipräsenten Unternehmen organisieren zu lassen: Am Ende wird keine Demokratisierung stehen, sondern eine Monopolisierung des Zugangs zu Wissen und ein perfektes Profiling all jener, die Wissen abfragen.

„Ein Surfer, der konsequent auf die Nutzung von Google-Diensten setzt, hinterlässt digitale Spuren, nach denen sich zum Beispiel Werber die Finger lecken.“ [Jo Bager: Der Datenkrake]

In China sucht man mit Google Begriffe „Taiwan“ und „Unabhängigkeit“ oder den Aufstand vom 4. Juni vergeblich. Google weigert sich beständig, konkrete Aussagen zum praktizierten Datenschutz zu machen, die Vergabe von individuellen Cookies durch die Suchmaschine an ihre Benutzer legen den Verdacht nahe, dass Suchanfragen jedes Benutzers protokolliert werden, zumindest um daraus Rückschlüsse auf Interessengebiete zu ziehen ...

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