Dienstag, 6. Februar 2007

Optimismus



[Buster: Noch ein Boot, 2007]

"Was ist das - Optimismus?", fragte Cacambo.
"Ach", erwiderte Candide, "das ist der Wahnsinn, zu behaupten, daß alles gut sei, auch wenn es einem schlecht geht."
[Voltaire, Candide ou l'optimisme, 1759]

Die übliche Gewaltverherrlichung und Harpcore-Dornographie entfält heute aus gegebenem Anlass. Ich bitte um allseitiges Verständnis.

Montag, 5. Februar 2007

Endlich



[Buster: Gar nicht mal soo schlecht, 2007]

„Dada ist das Leben ohne Pantoffeln und Parallelen, das für und gegen die Einheit ist und entschieden gegen die Zukunft.“
[Tristan Tzara auf der ersten Soiree von Hugo Balls „Cabaret Voltaire“ am 5. Februar 1916 in der Züricher Altstadt]

Sonntag, 4. Februar 2007

wie gehabt

die gesellschaft
ist wieder geteilt
in wächter
und bewachte

wie gehabt
ein geruch breitet sich aus
der geruch einer maschine
die gas erzeugt

[Alfred Andersch: artikel 3 (3), 1976]

Das ganze Gedicht

Was sind das für Zeiten in denen ein Stöckchen …

Definiere kurios: Wenn man - während stündlich in den Nachrichten vom selbstgemachten, bald irreversiblen Klima-Gau die Rede ist, Amerikanische Politiker das bisserl eigenes 25% Anteil an der Treibhausgasemmission als nicht relevant erklären und der Chinese (der nie schläft) von der ganzen Aufregung nichts wissen will, (vom Inder nichts zu hören ist,) wenn man also in solchen Zeiten (Brechts Bäume hör ich drohend knarzen) - aufgefordert wird, mal über die eigenen Kuriositäten nachzudenken.

Diese Einleitung soll jetzt freilich nicht grundsätzlich gegen Ärzte im Allgemeinen und eine im ganz und gar Besonderen gerichtet sein. Nein, nein. Nein, NEIN: Selbst Ärzte können nicht für alles Schuld tragen, haben, werden und sollen (und die eine Besondere schon gar nicht). Was weiß der (nie schlafende) Chinese denn von der Kassenärztlichen Vereinigung und was bitte der Amerikaner von Brecht’s Bäumen? Ebendarum, vieltausendköpfige Leserschaft, wäre eine Stöckchen-Verweigerung plump und was soll ich sagen einfach nicht rechtschaffen. Ne, nee: Eins geht immer, eins geht noch.

Ich denke ja bei so was wie „kurios“ gleich an - zugegeben wenig politisch korrekte - Kuriositäten-Ausstellungen auf dem Jahrmarkt: Die Dame ohne Unterleib, der Hund mit zwei Köpfen, die Schlange mit vier Beinen, der unbestechliche Politiker und dergleichen Monstrositäten. Dabei steht das lateinische „curiosus“ doch für „sorgfältig, aufmerksam, neugierig“ das zu „cura“ (Sorge, Pflege) und dem ehrwürdigen „Curator“ führt. Im Grimm steht unter „CURIOS“ einerseits „curiosus, neugierig: bins curios zu sehen“ aber auch „insolitus, seltsam: das sind mir curiose leute“. Noch bis ins 17. Jahrhundert wurde „kurios“ im denkbar positivsten Sinne verwandt bis - scheinbar unvermeidlich und recht schrittweise - „ein bisschen verrückt“ daraus werden konnte und auch das schwesterliche französische „curieux“ wird heute eher als „wunderlich, merkwürdig“ verwandt und nur nachrangig als „wissbegierig, neugierig, sorgsam“ und was sonst auch.

Ich bins jedenfalls – Sie ahnen das längst – natürlich nicht niemals (gewesen und sein). „Kurios“ sind bestenfalls „die Anderen“ sechs, sechs Milliarden Mitbewohner dieses deutlich wärmer werdenden Gestirns. So finden die es etwa „kurios“, dass ich

1) noch nie eine Tanzschule besucht habe: Zu „meiner“ Zeit passten obligatorischeres PLO-Tuch und olivgrüner Parka einfach nicht zum Abschlussballestablishment. Wehe daher, wenn ich mit meiner Schuhgröße 46-47 zum Tanz aufgefordert werde ;-).

2) noch nie eine Autowäsche in meinem Leben durchgeführt oder veranlasst habe. (Von innen habe sogar ich schon mal die Scheiben geputzt). Das mag sich ändern, wenn künftig nur noch einmal im Jahr Regen fällt, aber die daraus resultierende Wasserknappheit wäre mir andererseits sicher willkommener Anlass auch künftig mehr als sparsam mit Autowäschen umzugehen.

3) mein Brot selbst backe und gekauftes Brot knapp an der Grenze zur Ungenießbarkeit, mindestens aber jenseits der Fadheit proklamiere (viele Sätze gehören verboten, solche allemal).

Wie gesagt: Alles eine Frage der gesellschaftlichen Konvention, was so als skurril - oops "kurios" - gilt. Ebenso wenig überraschend ist es vermutlich, dass ich kurios finde, dass ich

4) mich nun leidlich und halbwegs rechtschaffen ins 44zigste (und bald 45zigtse) Jahr gelebt habe, um etwa im Einzelhandel immer noch und regelmäßig (!) als „Junger Mann“ tituliert zu werden!

5) noch immer mit einem Auto durch die Gegend kurve das mindestens einhundert Pferdestärken zuviel unter der sehr silberfarbenen Haube hat, von dem vermutlich die Mehrzahl der (nie schlafenden) Chinesen träumt.

6) es „kurios“ finde in solchen Zeiten über „Kuriositäten“ zu berichten (aber das hatten wir ja auch schon).

Und nu? Wohin mit dem Stöckchen? Rachelustig Menschen zwischen die Beine werfen, die mich mehrfach gequält, verfolgt, gedemütigt haben? Nein, vieltausendköpfige Leserschaft, ich bin ein - ach woher >DER< Gutmensch, ich lass es liegen, jeder der eins braucht soll sich eins nehemen: Gehet hin und mehret euch, ihr wackeren Stöckchen. *Vorhang fällt langsam, Heiligenschein wird abgedimmt* …

ACH NEEEE: *Vorhang öffnet sich ruckartig, Heiligenschein implodiert* Doch lieber ohne und ordentlich Rache nehmen und das Stöckchen weiterwirbeln an den Remstalrebell und Wahlschwaben Redunzl, eins werf ich zu der Eidgenossin für die gewonnenen Schwabenkriege, die Frau Polly soll auch nicht immer nur über die Insel nachdenken sondern über eigene Unzulänglichkeiten, Frau Schnatterliese sich nicht tagelang still (!) daran erfreuen, dass ihr kein Unglück widerfährt, die sehr Kritische Masse muss schon allein deswegen eins bekommen, weil der nichts kurios sein sollte und der unvergessene Bon-Jovi-Head-Banger soll auch nicht ohne Feuerholz bleiben …

Samstag, 3. Februar 2007

Gertrude Stein

"You are all a lost generation" [Gertrude Stein]

Dada Mama, Gertrude Stein bei Ubu.



[Buster: Minimal Art 3, 2007]

Freitag, 2. Februar 2007

Weniger geht immer …

„Und das Herz ging ihm wie verrückt und ich habe ja gesagt ja ich will Ja“

lässt Geburtstagskind James Joyce sein „Ulysses“ enden, dabei wäre es heute so immens wichtig „Nein“ zu sagen. Es geht mir ausnahmsweise nicht um Klimakatastrophe, Gesundheitsreform, Nahostquartettspiele oder Bunteliga. Vom Jobkiller „Mindestlohn“ ist die Rede, vieltausendköpfige Leserschaft.

Und spätestens seit auch die USA, die neuerdings schon verdächtig nahe am Staatskommunismus agieren, endlich ihr wahres Gesicht zeigen, bleibt für unsere Rettung nur noch Günther. Soll keiner sagen, Günther hätte uns nicht gewarnt: Grade eben wieder im Sender N24 wiederholt er mantrahaft wie seit vier Tagen: „Bei 7,50 Euro Mindestlohn gibt es viele Arbeitsplätze bald nicht mehr.“

Abertausende Arbeitsplätze werden wegfallen, wenn hierzulande Mindestlöhne eingeführt werden! Und das Herrschaften wo doch ein Arbeitsplatz so was unglaublich Soziales ist, wie der Günther immer wieder betont. Nehmen Sie die Friseurin, die bei einem Tariflohn von 3,06 € als Vollzeitbeschäftigte heutzutage fast 500 € nach Hause bringen darf: Zack wäre die ihren tollen und gutbezahlten Arbeitsplatz los und wir würden uns alle die Haare in Bulgarien scheiden lassen, weil dort der Tariflohn 53 Cent beträgt.

Die Mehrzahl der Industrieunternehmen – vorneweg Siemens – würden ihre Gebäude nach Nordkorea verlagern weil sie dort fürn Appel und ein Ei gereinigt werden und auch Zimmermädchen, die ja auch auf 400 Euro im Monat kommen, werden arbeitslos: Das Adlon würde wie alle Hotels einfach an den Plattensee verlegt. Unser Mittagessen nehmen wir im Tschad ein und machen damit die Küchenhilfe (5,13 €) ebenso arbeitslos wie den Briefträger (Postwesen 6,05 €), weil wir unsere Briefe selbst in Indien abholen. Auf dem Heimweg kaufen wir noch schnell in Vietnam etwas ein, schon ist die Fachverkäuferin (6,56 €) ihren Job los und dann geben wir dem Wachmann (5,93 €) im Kongo Bescheid, dass er den Objektschutz der Doppelgarage in Bonn-Beuel auch ordentlich macht.

Und würde zum Beispiel für Ministerpräsidenten ein Mindestlohn vereinbart werden von 7 Euro 50 die Stunde, was soll ich sagen: Der Job wäre schneller nach Rumänien outgesourct als wir wählen können. Dort gibt es zwar auch einen Mindestlohn, der beträgt aber nur 66 Cent die Stunde und so ein Land wie Baden-Württemberg lässt sich schon mal von Transsylvanien aus regieren, ohne dass die Stammwählerschaft was merkt.

„Wir leben in einem Land voller Chancen“ schreibt Günther und mit etwas Glück werden wir ja auch Vorstandsvorsitzender einer Bank bei 4.000 Euro pro Stunde. Das sind zwar nicht mal eine Million Euro im Monat Grundlohn, aber zum Notwendigsten wird’s schon reichen.

[Tariflöhne: Hans Böckler Stiftung]

Nie sind die Dinge an sich schlecht ...



[Buster: Deutsches Schaf bei Kilometer 662, 2007]

Kaum nenne ich das Gedingse hier „Chez Buster“, schon werden die Junx vonner Platte geputzt. „Weise ist der Mensch, der nicht den Dingen nachtrauert, die er nicht besitzt, sondern sich der Dinge erfreut, die er hat“ möchte ich dem wackeren Europameister mit Epiktetos zurufen. Ihr seid doch noch immer die Grand Nation und es ist auf den Tag genau grade mal 201 Jahre her, dass ihr alles konntet: Sogar Päpste verhaften und nach Fontainebleau verschicken, weil der Napoleon exkommunizierte und euch nicht gegen die Tommies aushelfen wollte. Im Bautz ist das alles etwas wirr geschrieben, aber wer hätte denn wirklich ausgerechnet vom Kirchenlexikon Klarheit erwartet?

„Nie sind die Dinge an sich schlecht, nur wie du darüber denkst“ sollte Epiktetos euch trösten, einer der bedeutendsten Vertreter der späten stoischen Philosophie und immerhin aus Rom ausgewiesen. Vielleicht verhaftet ihr nun, da ihr nicht mehr mitspielt und etwas Zeit habt, einfach noch mal den Papst?

Nachtrag: Sorry da war ein fast-falscher Link

Donnerstag, 1. Februar 2007

Inventur



Dies ist meine Mütze,
dies ist mein Mantel,
hier mein Rasierzeug
im Beutel aus Leinen.

Konservenbüchse:
Mein Teller, mein Becher,
ich hab in das Weißblech
den Namen geritzt.

Geritzt hier mit diesem
kostbaren Nagel,
den vor begehrlichen
Augen ich berge.

Im Brotbeutel sind
ein Paar wollene Socken
und einiges, was ich
niemand verrate,

so dient er als Kissen
nachts meinem Kopf.
Die Pappe hier liegt
zwischen mir und der Erde.

Die Bleistiftmine
lieb ich am meisten:
Tags schreibt sie mir Verse,
die nachts ich erdacht.

Dies ist mein Notizbuch,
dies ist meine Zeltbahn,
dies ist mein Handtuch,
dies ist mein Zwirn.

[Günter Eich: Inventur. Abgelegene Gehöfte, 1948]

Mittwoch, 31. Januar 2007

In der Badeanstalt

Köpfe glatzen
Bäuche blähen
Latschen knartzen
Haar verweist

Günter netzert
Johann lafert
Stirne tropfen
Handtuchfern

Nägel gilben
Düsen walken
Meersalz totes
Brillenblind

Ärsche wogen
Schwänze kräuseln
Titten wippen
Salzaufguss

Füße kneipen
Wechselbäder
Froilein hörnse
Nochn Bier

Weh



[Buster: Mach noch mehr mit Tieren, 2007]

Ein Erbe verloren
Lass fahren.
Deinen Weg verloren
Geh irre.
Einen Zauber verloren
So stirb denn.
Eine Botschaft verloren
Weh.

[M. L. Kaschnitz: Unordnung]

Dienstag, 30. Januar 2007

Mal was mit Tieren



Was singt ihr, ihr Vögel, im Morgenlicht?
Ihr wißt nicht, wie scheiden thut!
Es drücken euch Sorgen und Schuhe nicht,
Ihr Vögel, ihr habt es gut!

[A. v. Camisso: Auf der Wanderschaft. Gedichte, 1819]

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Natürlich ist das ...
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BusterG - 17. Dez, 00:21

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