Samstag, 19. Juli 2008

Blaue Schmonzette am Inn



„Schön ist umher die Natur
Im kühlen, gemilderten Lichte,
Das schweigend über mir hängt.“

[M. Denis: Abschied von der sichtbaren Welt]
Gedichte bei zeno

Samstag, 5. Juli 2008

Long Day's Journey Into Night (Balkon I)



„Ich höre ja auf mit dem Saufen. Aber nicht heute Abend.“
[Eugene O’Neill: Eines langen Tages Reise in die Nacht, 1956]

Donnerstag, 3. Juli 2008

Käfig

„Ein Käfig ging einen Vogel suchen.“
[Franz Kafka: Paralipomena, 16]

Montag, 30. Juni 2008

Niveaufrage

„Wir waren nicht ganz auf diesem Niveau“ sagt der Löw hinterher etwas zu angespannt als ich mit einer Gulliverschen Anmutung feststelle, dass ich alle Anwesende um eineinhalbfache Kopfgröße überrage. Ohne die ridiküle rotgelbrote Kappe auf meinem Kopf, wohlgemerkt. Die schiere Größe des Nordmenschen zeigt, dass zwischen dem rotgelbroten Fahnenmeer ein Nachkomme der Wikinger steht – wie unerschrocken sei hier einmal vorsorglich dahingestellt.

Ich war nur kurz in einem Biergarten der schwarzrotgoldener gar nicht hätte stöhnen können als die dreiunddreißigste Spielminute angebrochen war. Dies schien mir der rechte Moment zu sein nunmehr spanische Verhältnisse anzustreben war ich doch sowieso grenzenlos überzeugt, dass diese vom Gewinn gar nicht mehr abzubringen seien. So kam es, dass ich kurz darauf einen kleinen, sehr überfüllt-verrauchten Schankraum in einem Hinterhof betrat aus dem zwischen all den Fahnen frenetische eviva espagna-Gesänge von Vertretern allerlei Geschlechts angestimmt wurden.

In meiner elterlichen Wohnung hing lange Zeit eine Spanierin über der senfgelben Ledercouch, die mein Vater stets und mir unerklärlich nur „Dolores“ nannte. Irgendetwas womöglich Anrüchiges mag hier vorgefallen sein zwischen meinen Eltern auf einem ihrer zahllosen Spanienurlaube bevor sie auch nur daran dachten mich zu zeugen. Jedenfalls hatte „Dolores“ wallend-lange, lockig schwarze Haare, herausfordernd schwarze Augen, in den sonnengebräunten erhobenen Händen hielt sie die obligatorischen Kastagnetten, an der sehr weißen, frisch gestärkten Rüschen-Bluse war für den Geschmack der sechziger Jahre ein Knopf zu viel geöffnet und ein verheißungsvoll-feurig roter Rock komplettierte die erotisch aufgeladene Exotik der Szene.

Kaum in der Hinterhofkneipe angekommen wurde ich auch schon ebenso freudig begrüßt wie getröstet. Eine Mütze wurde eilig herbeigeschafft, die eine gewisse Ähnlichkeit aufwies mit der des ewig trommelnden Manolos nur dass diese in den spanischen Landesfarben gehalten war. Eine Frau, die sich als Rosalia vorstellte, wickelt mir mehrfach und überaus sorgfältig einen Fanschal um den Hals grade so als gelte es zu verhindern, dass ich die falschen Schlachtrufe skandiere was schon allein wegen der Tatsache, dass ich außer Olé, Olé Olé gar keine kenne, sehr überflüssig war.

Jimenez, ein zur Glatze neigender stark untersetzter Herr mittleren Alters drückte mir zur Begrüßung ein Glas Rotwein in die Hand: Das sei, schreit er mir kraftvoll ins Ohr, ein Rioja aus seinem Heimatdorf. Hier lässt es sich trefflich feiern denke ich den Fanschal lockernd und mache mich auf drei weitere Rote zu holen. Im Raum, der keine vierzig Quadratmeter groß ist, stehen und sitzen an die fünfzig Fans, laut gestikulierend und Fahnenschwingend. Warum ist Torres eigentlich dermaßen blond? Zur Stärkung und weil es der Wahrheitsfindung dienen könnte, trinke ich an der Theke noch einen doppelten Brandy bevor ich mich mit den Gläsern zurückbegebe - schon etwas angetrunken wie ich erstaunt feststelle was zweifellos der freundlich emotionalen Atmosphäre geschuldet ist.

Einige Gläser später – Jimenez und ich wechselten uns tapfer ab bei unseren Thekengängen die zunehmend unsicherer werden – bemerke ich erstaunt, dass Rosalia eine sehr weiße, frisch gestärkte, Rüschen-Bluse trägt, die mir vorher gar nicht aufgefallen ist. Wir trinken darauf einen doppelten Brandy. Der Gomez hat einen spanischen Vater? Als ich mit allerlei Gläsern von der Theke komme sehe ich Rosalias feurig roten Rock. Hatte die vorher nicht eine schwarze Hose an? Warum liegt denn jetzt der Ballack da rum, sollte der nicht spielen? Jimenez und ich stützen uns etwas, der Raum wogt freudig erregt. Moral und Willensstärke hätten sie doch die Deutschen wird mir ins Ohr gemurmelt von Dolores. Hieß die nicht früher einmal anders? Klinsmann scheint unzufrieden mit dem Verlauf. Noch ein Glas könne man allemal trinken ermutigt mich Jimenez und die schwarzäugige Dolores pflichtet - während Jimenez einen Famenco-Tänzer imitierend schon Richtung Theke torkelt - bei, dass so ein Tag ja gewiss so schnell nicht wiederkehren würde und legt mir ihre braungebrannten Hände um meine schwankende Hüfte.

Der Abpfiff, eine wimpernschlaglange Stille, dann ein infernalisches Aufheulen und kehliges Gröhlen. Ich ertappe mich dabei wie ich Olé, Olé Olé brüllend versuche Dolores auf meine Schultern zu heben. Die Raumhöhe aber auch der Grad meiner Alkoholisierung sind überzeugende Argumente dagegen. Ermattet sinke ich auf eine senfgelbe Ledercouch, stand die schon immer hier? Der Raum dreht sich, nein scheint zu schunkeln, wallend-lange, lockig schwarze Haare von Dolores schmiegen sich an meine Brust. Willensstärke. Jimenez bringt mir lachend ein Glas Wein, Jimenez schunkelt, nein der Raum, er schwingt nach vorne und zurück. Die Merkel gratuliert dem König. Der Raum schwingt, ich bewege mich nicht, die Kastagnetten gleiten zu Boden, der Raum schwingt, immer weiter, immer weiter. Olé, Olé Olé. Ob ich meinen Vater die Tage mal nach seiner Dolores frage?

Sonntag, 29. Juni 2008

Zwischen Fall und Flug

Du Runder, der das Warme aus zwei Händen
im Fliegen, oben, fortgiebt, sorglos wie
sein Eigenes; was in den Gegenständen
nicht bleiben kann, zu unbeschwert für sie,
zu wenig Ding und doch noch Ding genug,
um nicht aus allem draußen Aufgereihten
unsichtbar plötzlich in uns einzugleiten:
das glitt in dich, du zwischen Fall und Flug

noch Unentschlossener: der, wenn er steigt,
als hätte er ihn mit hinaufgehoben,
den Wurf entführt und freilässt -, und sich neigt
und einhält und den Spielenden von oben
auf einmal eine neue Stelle zeigt,
sie ordnend wie zu einer Tanzfigur,

um dann, erwartet und erwünscht von allen,
rasch, einfach, kunstlos, ganz Natur,
dem Becher hoher Hände zuzufallen.

[Rainer und Maria Rilke: Der Ball.
In: Der neuen Gedichte anderer Teil, 1908]

Freitag, 27. Juni 2008

Kleines Silberauto in der Arschbar

IMG_7704n2

[Atelier van Lieshout: BarRectum. 800x800x250 cm, Fiberglas, Holz, 2005 vor dem Folkwang]



[Nachtrag: Arschbar hinterrücks weichgezeichnet vor Folkwang]

Mittwoch, 25. Juni 2008

Sind wir bereit?

Zweinhalb Millionen mehr als fragwürdig integrierte Türken leben mitten unter uns, fanatisch rote Fahnen mit dem Halbmond schwenkend. Wie kann das angehen heute mit der Völkerverständigung? Wir sind Exportweltmeister, Fußballweltmeister der Herzen, stellen die schnelle Eingreiftruppe am Hindukusch und sind sogar Papst, aber sind wir wirklich bereit in zwei Spielen Europameister zu werden?

Grade mal vier von zehn Befragten gaben gegenüber Bei Chez Buster an die Tage an einem ausgedehnten und regulären Autokorso teilgenommen zu haben: Lediglich 25 Prozent können ohne Probleme einen Sixpack an der Tanke um die Ecke einsacken und über 40 Prozent aller Fahrzeuge in meiner Wohngegend sind nicht ausreichend beflaggt. Von der Nationalhymne kennen viele eingefleischte Fans grade mal die erste Strophe auswendig.

Frage nicht, deutsche Schwermut, was Deine Mannschaft für Dich tun kann, frage Dich was Du für die getreuen Ballack, Lehmann und Löw tun kannst! Wird es reichen sich in den nächsten Stunden Nußnougatcreme eimerweise oder Kisten von Eifeler Pils einzuverleiben? Hilft uns Volksgemeinschaft am Ende gar schneller Sex, jetzt wo die Partnerinnen der Fußballhelden ausgesperrt sind?

Fragen über Fragen, eine Antwort weiß nicht einmal Günter Netzer …

Montag, 23. Juni 2008

Wir haben Fieber

„Wir haben Fieber“ scheppert es aus einem unter der Decke befestigten Flachbildschirm um die mutmaßlich vierundzwanzigste Nachlese des gestrigen Fußballabends einzuläuten. „König Juan Carlos war in der Kabine“ höre ich grade noch die Topmeldung als Giovanni, mein italienischer Wirt, missmutig abschaltet während er recht Unverständliches in scharfem sizilianischen Dialekt vor sich hin grummelt, grade so als gelte es kleinen Kindern ordentlich einen Schrecken einzujagen. Luca Toni habe sich doch immerhin bemüht versuche ich ihn etwas aufzumuntern aber Giovanni schnaubt nur verächtlich. Nicht dass ich von dem sogenannten Spiel etwas gesehen hätte, aber sämtliche Medien scheinen ja nur noch ein Thema zu kennen ohne dass man ihnen entkommen könnte.

Italienischer Fußball heißt dramatisch Hinfallen und dabei laute Schmerzschreie von sich geben sobald sich ein Gegner auf Armlänge nähert, der Rest ist kontrollierte Defensive bis die gegnerische Mannschaft aus schierer Verzweiflung ein Eigentor schießt. Offen gesagt weiß ich gar nicht, ob überhaupt noch jemand hinsieht, wenn die italienische Mannschaft den Rasen betritt. Die einen spielen, bis sie gewinnen, die Italiener gewinnen, ohne zu spielen. Bis auf gestern eben. Aber so brilliant wie deutlich sollte ich das Giovanni heute besser nicht sagen.

Um sein Karma ist es jedenfalls denkbar schlecht bestellt als er breitbeinig vor mir protestiert dass die ganze Nacht vor seinem Haus ein lärmender Autokorso abgehalten wurde und ich als Antwort auch noch albern einen „Kaffee Olé" ordere und mir anzüglich beidhändig Stierhörner aufsetze. „Jetzt“ sagt er als den Milchkaffee gespielt barsch auf den Tisch stellt während er mich mit seinem roten Geschirrtuch etwas neckt „habe ich fertig mit der Eh-eM“. Und dann reden wir noch - ganz so als wären wir zwei Erwachsene – ein wenig darüber, wann er wieder nach Sizilien fährt und diesen leckeren Nero d’Avola mitbringt ohne den man sich seine Linguini mit Steinpilzen gar nicht vorstellen mag.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Aktuelle Beiträge

Seit langen das beste...
Seit langen das beste Gedicht was ich gelesen habe....
Laura Kinderspiel - 12. Nov, 11:30
wow..
..echt "hot" diese Sonnenblumen.. seit langem die beste...
jump - 6. Sep, 11:53
Danke
Danke
huflaikhan - 28. Aug, 08:25
Ich mag sowas ja sehr...
Ich mag sowas ja sehr gerne lesen, vor allem richtig...
huflaikhan - 26. Dez, 16:15
Hatschi
... ok, bin wieder auf dem Boden der Tatsachen.. ;-)
jump - 17. Dez, 19:18
So weit!
Ja genau, also doch schon gar sooo weit ;-).
BusterG - 17. Dez, 00:26
Das ist in der Nordeifel:...
Das ist in der Nordeifel: Heimbach in Nebel und Sonnenschein.
BusterG - 17. Dez, 00:24
Geschätzte Wassertemperatur:...
Geschätzte Wassertemperatur: ca zwei Grad, also vielleicht...
BusterG - 17. Dez, 00:23
Danke
Danke
BusterG - 17. Dez, 00:21
Natürlich ist das ...
... AUCH an Dich gewandt. Ich würde doch sonst nicht...
BusterG - 17. Dez, 00:21

Archiv

April 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 

RSS Box

Was bisher ...

Credits

powered by Antville powered by Helma

sorua enabled
Creative Commons License

xml version of this page

twoday.net AGB