lobesam

Sonntag, 4. Februar 2007

wie gehabt

die gesellschaft
ist wieder geteilt
in wächter
und bewachte

wie gehabt
ein geruch breitet sich aus
der geruch einer maschine
die gas erzeugt

[Alfred Andersch: artikel 3 (3), 1976]

Das ganze Gedicht

Samstag, 3. Februar 2007

Gertrude Stein

"You are all a lost generation" [Gertrude Stein]

Dada Mama, Gertrude Stein bei Ubu.



[Buster: Minimal Art 3, 2007]

Donnerstag, 1. Februar 2007

Inventur



Dies ist meine Mütze,
dies ist mein Mantel,
hier mein Rasierzeug
im Beutel aus Leinen.

Konservenbüchse:
Mein Teller, mein Becher,
ich hab in das Weißblech
den Namen geritzt.

Geritzt hier mit diesem
kostbaren Nagel,
den vor begehrlichen
Augen ich berge.

Im Brotbeutel sind
ein Paar wollene Socken
und einiges, was ich
niemand verrate,

so dient er als Kissen
nachts meinem Kopf.
Die Pappe hier liegt
zwischen mir und der Erde.

Die Bleistiftmine
lieb ich am meisten:
Tags schreibt sie mir Verse,
die nachts ich erdacht.

Dies ist mein Notizbuch,
dies ist meine Zeltbahn,
dies ist mein Handtuch,
dies ist mein Zwirn.

[Günter Eich: Inventur. Abgelegene Gehöfte, 1948]

Mittwoch, 31. Januar 2007

Weh



[Buster: Mach noch mehr mit Tieren, 2007]

Ein Erbe verloren
Lass fahren.
Deinen Weg verloren
Geh irre.
Einen Zauber verloren
So stirb denn.
Eine Botschaft verloren
Weh.

[M. L. Kaschnitz: Unordnung]

Sonntag, 28. Januar 2007

Will kein Gott auf Erden sein, sind wir selber Götter!

Wenn Könige vor Päpsten knien, obskure Verbände gegründet werden und Goebbels Propaganda nach 63 Jahen immer wieder mal gern gesehn wird, dann gibt es immer noch die Möglichkeit, dass sich nach 73 Sekunden Materialermüdung einstellt.

Wie hat der Sturm zerrissen
Des Himmels graues Kleid!
Die Wolkenfetzen flattern
Umher in mattem Streit.

Und rote Feuerflammen
Ziehn zwischen ihnen hin.
Das nenn ich einen Morgen
So recht nach meinem Sinn!

Mein Herz sieht an dem Himmel
Gemalt sein eignes Bild –
Es ist nichts als der Winter,
Der Winter kalt und wild!

[W. Müller: Der stürmische Morgen, Die Winterreise, 18]

Freitag, 19. Januar 2007

Silence

There are some qualities–some incorporate things,
That have a double life, which thus is made
A type of that twin entity which springs
From matter and light, evinced in solid and shade.
There is a two-fold Silence–sea and shore-
Body and soul. One dwells in lonely places,
Newly with grass o'ergrown; some solemn graces,
Some human memories and tearful lore,
Render him terrorless: his name's "No More."
He is the corporate Silence: dread him not!
No power hath he of evil in himself;
But should some urgent fate (untimely lot!)
Bring thee to meet his shadow (nameless elf,
That haunteth the lone regions where hath trod
No foot of man,) commend thyself to God!

[Edgar A. Poe: silence, 1839]

Works
in Wkisource, Erzählungen als Hörbücher

Donnerstag, 18. Januar 2007

beim Donner die Erde berühren

Auf die Sterne soll man nicht mit Fingern zeigen; in den Schnee nicht schreiben; beim Donner die Erde berühren: also spitzte ich meine Hand nach oben, splitterte mit umsponnenem Finger das in den Silberschorf neben mir, (Gewitter fand grade keins statt, sonst hätt ich schon was gefunden!) (In der Aktentasche knistert das Butterbrotpapier).
Der kahle Mongolenschädel des Mondes schob sich mir näher. (Diskussionen haben lediglich diesen Wert: dass einem gute Gedanken hinterher einfallen).

[Arno Schmidt: Aus dem Leben eines Fauns, 1953]

Samstag, 13. Januar 2007

zum Schneckengang verdorben



[Buster: Schiff, 2007]

Karl v. Moor: „Pfui! Pfui über das schlappe Kastratenjahrhundert, zu nichts nütze, als die Taten der Vorzeit wiederzukäuen, und die Helden des Alterthums mit Kommentationen zu schinden, und zu verhunzen mit Trauerspielen. Die Kraft seiner Lenden ist versiegen gegangen, und nun muss Bierhefe den Menschen fortpflanzen helfen. (…)

Das Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wäre. Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freiheit brütet Kolosse und Extremitäten aus."

[Friedrich Schiller: Die Räuber, Erster Akt, Zweite Szene. Uraufführung am 13.01.1782 in der Mannheimer Nationalbühne].

Donnerstag, 11. Januar 2007

Und was noch nicht gestorben ist

Mit seinem Glück, seiner Gefahre
Der Krieg, er zieht sich etwas hin.
Der Krieg, er dauert hundert Jahre.
Der g'meine Mann hat kein Gewinn.
Ein Dreck sein Fraß, sein Rock ein Plunder!
Sein halben Sold stiehlts Regiment.
Jedoch vielleicht geschehn noch Wunder:
Der Feldzug ist noch nicht zu End!
Das Frühjahr kommt! Wach auf, du Christ!
Der Schnee schmilzt weg! Die Toten ruhn!
Und was noch nicht gestorben ist
Das macht sich auf die Socken nun.

[B. Brecht: Mutter Courage und ihre Kinder, 1939]

Im Deutschen Theater in Ost-Berlin inszenierte Bertolt Brecht "Mutter Courage und ihre Kinder" mit dem von ihm und seiner Frau Helene Weigel vor 62 Jahren gegründeten Berliner Ensemble, das ab 1954 im eigenen Haus, dem „Theater am Schiffbauerdamm“, spielte.

Dienstag, 9. Januar 2007

Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.

Ja, das möchste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn -
aber abends zum Kino hast dus nicht weit.

Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:

Neun Zimmer - nein, doch lieber zehn!
Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,
Radio, Zentralheizung, Vakuum,
eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm,
eine süße Frau voller Rasse und Verve -
(und eine fürs Wochenend, zur Reserve) -,
eine Bibliothek und drumherum
Einsamkeit und Hummelgesumm.

Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste,
acht Autos, Motorrad - alles lenkste
natürlich selber - das wär ja gelacht!
Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.

Ja, und das hab ich ganz vergessen:
Prima Küche - erstes Essen -
alte Weine aus schönem Pokal -
und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.
Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.
Und noch ne Million und noch ne Million.
Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.
Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.

Ja, das möchste!

Aber, wie das so ist hienieden:
manchmal scheints so, als sei es beschieden
nur pöapö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
hast du die Frau, dann fehln dir Moneten -
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.

Etwas ist immer.
Tröste dich.

Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Daß einer alles hat:
das ist selten

[Kurt Tucholsky: Das Ideal]

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