lobesam

Freitag, 10. November 2006

Der aufhaltsame Aufstieg ... fünf Füße, aber steppend

Das Theaterstück 'Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui' von Bertolt Brecht wurde am 10.11.1958 in Stuttgart uraufgeführt, 17 Jahre nach seiner Entstehung im finnischen Exil:

„Ihr aber lernet, wie man sieht statt stiert
Und handelt, statt zu reden noch und noch.
So was hätt einmal fast die Welt regiert!
Die Völker wurden seiner Herr, jedoch
Dass keiner uns zu früh da triumphiert -
Der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“

[B. Brecht: Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui, Epilog, 1941]

In einer sehr kurzweiligen Inszenierung des National-Actors-Theatre vor rund drei Jahren in New York war der Arturo Ui mit Al Pacino besetzt, der sich - den Epilog sprechend - seinen Hitlerbart entfernt während hinter ihm ein Plakat mit dem Konterfei von George W. Bush gehisst wird. Gab sehr lebendige Diskussionen hinterher, von denen Kay Voges, der vor zwei Jahren in Bonn stärker entlang dem Brecht inszenierte, nur träumen konnte. Tony Randall hatte sich jedenfalls offensichtlich bis in den 26 Band gelesen. Dort steht:

„Die großen politischen Verbrecher müssen durchaus preisgegeben werden, und vorzüglich der Lächerlichkeit. Denn sie sind vor allem keine großen politischen Verbrecher, sondern die Verüber großer politischer Verbrechen, was etwas ganz anderes ist.“
[B. Brecht: Aus den Arbeitsjournalen 1.4.41]

Und für die Frau Polly noch dies als Schmankerl in die Studierstube:

„Nachträglich habe ich viel damit zu tun, die Jamben des ‚Aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui’ zu glätten. Ich hatte den Jambus sehr schlampig behandelt (…). Grete rechnete aus, dass von 100 Versen 45 hinkten. (…) Der verjazzte, synkopische Jambus, den ich sonst anwende (fünf Füße, aber steppend), ist ja auch was anderes (…) – er ist schwer zu bauen und natürlich sehr kunstvoll.“
[B. Brecht: Aus den Arbeitsjournalen 2.4.41]

Mittwoch, 8. November 2006

Es war einmal: Zeit


[Martin E. Kautter: Karl Kautter, mein Vater, 1997]

Fotografien von Martin E. Kautter werden unter dem Motto „Es war einmal: Zeit“ noch bis zum 27. November im Schwulen Museum Berlin-Kreuzberg ausgestellt. Unbedingt sehenswert ein Raum in dem er sich mit dem Tod seines Vaters auseinandersetzt.

„Langsam, Woyzeck, langsam; eins nach dem andern! Er macht mir ganz schwindlig. Was soll ich dann mit den 10 Minuten anfangen, die Er heut zu früh fertig wird? Woyzeck, bedenk Er, Er hat noch seine schönen dreißig Jahr zu leben, dreißig Jahr! Macht dreihundertsechzig Monate! und Tage! Stunden! Minuten! Was will Er denn mit der ungeheuren Zeit all anfangen? Teil Er sich ein, Woyzeck!“
[Georg Büchner: Woyzeck, 1837]

Montag, 30. Oktober 2006

Auf einmal aber



[Buster: Als einmal der Himmel verschwunden war, 2006]

Auf einmal aber kommt ein großes Sterben.
Die Wälder rauschen wie ein Feuermeer
Und geben alle ihre Blätter her
Die in dem leeren Luftreich blind verderben.
Die Tiere schreien in dem kalten Neste.
Die Raben steigen in die Abendröte.
Und plötzlich darret trocken das Geäste.
Die Schiffer aber fahren trüb im Ungewissen,
Auf grauem Strom die großen Kähne treibend
In schiefen Regens matten Finsternissen.
Durch leerer Brücken trüben Schall, und Städte
Die hohl wie Gräber auseinanderfallen,
Und weite Öden, winterlich verwehte.
Kurz ist das Licht, das Stürme jetzt verdecken.
Und immer knarren laut die Wetterfahnen
Die rostig in den niedern Wolken stecken.
Und viele Kranke müssen jetzt verenden,
Die furchtsam hüpfen in den leeren Zimmern,
Zerdrückt im Leeren von den hohen Wänden.

[Georg Heym: Auf einmal aber kommt ein großes
Sterben, 1911. Gedichte bei Gutenberg-DE]

Mittwoch, 25. Oktober 2006

Komm raus!



[Buster: Als ich heute einmal rauskam um zu prüfen obs den Rhein noch gibt, 2006]

Komm raus aus deiner Eber-Einzelbucht,
aus deiner Ludergrube.
Komm raus aus deiner kaskoversicherten Dunkelkammer!
Auch dein Innenleben
findet öfter statt, merk ich grade –
(Komm raus aus deinem Farbbandkäfig)
Im Prinzip – ja? – P r i n z i p
sind doch längst alle Schleusen geöffnet, Gitter gefallen ...

Immer noch vierlerlei Lichter hier, wo sich
keine Anzeigenseite dazwischenschiebt,
keine Helium-Annonce –:
D I E S O N N E
unverwandt, mit angezogenen Strahlen –
(Komm raus aus deinem Leichen-Entsafter)
Vor dir das Meer und hinter dir
die Waschmaschine ...
(aus deinem Metzelwerk, aus deinem Familien-Gefrierfach)
Hier nichts gewollt zu haben,
ist soviel wie verspielt, das weißt du, oder?

Heda, eingerahmtes Tier, du kriegst
den Kopf wohl gar nicht mehr raus aus dieser Pate, laß sehn!
Unbeugsam reflektierst du dich
an der Schreibtischkante –
(eisern nach innen blickend, ein Vesuv mit geschlossenen Augen)
Komm raus aus deinem handversiegelten Hockergrab!
A u c h K u l t u r
ist nur eine unmaßgebliche Schutzbehauptung.

Eine Schlacht im Sitzen gewinnen:
s c h ö n w ä r `s !
Und schön der Gedankeda wer sich nicht rührt,
hat wenigstens Anspruch auf Schicksal – Aus deiner Tropfsteintruhe!
Komm raus aus deinem Todeskoben, überleg dir das Leben:
Die Morgenschiffe rauschen schon an –
Ein Tag aus Gold und Grau:
willst du mit rein? –

[Peter Rühmkorf : Komm raus!]

Freitag, 20. Oktober 2006

Rimbaud? - Das ist eine Erfindung der Deutschen

Je sais les cieux crevant en éclairs, et les trombes
Et les ressacs et les courants: je sais le soir,
L'Aube exaltée ainsi qu'un peuple de colombes,
Et j'ai vu quelquefois ce que l'homme a cru voir.

[Arthur Rimbaud: Bateau Ivre]

Ich weiß, wie Himmel bersten, ich kenn die Dämmerungen,
die Strömung und die Dünung, die Woge, die sich bäumt,
die Früh - verzückt wie Tauben, die sich emporgeschwungen,
und manchmal sah mein Auge, was Menschenauge träumt.

[Übersetzung: Paul Celan]

Dienstag, 17. Oktober 2006

Dieser Büchner war ein toller Hund ...

„Meine Zukunft ist so problematisch, daß sie mich selbst zu interessieren anfängt, was viel heißen will.“
[Georg Büchner, Brief an Gutzkow. Briefe 33, Straßburg, März 1835]

„Dieser Büchner war ein toller Hund. Nach 23 oder 24 Jahren verzichtete er auf weitere Existenz und starb. Es scheint, die Sache war ihm zu dumm.“ [Alfred Döblin]

Montag, 16. Oktober 2006

Vor 152 Jahren in Dublin ...

“Those who find ugly meanings in beautiful things are corrupt without being charming. This is a fault.
Those who find beautiful meanings in beautiful things are the cultivated. For these there is hope. They are the elect to whom beautiful things mean only beauty.”

[Oscar Wilde: The Picture of Dorian Gray, Preface]

Samstag, 14. Oktober 2006

am was

am was. are leaves few this. is these a or
scratchily over which of earth dragged once
-ful leaf. & were who skies clutch an of poor
how colding hereless. air theres what immense
live without every dancing. singless on-
ly a child's eyes float silently down
more than two those that and that noing our
gone snow gone
yours mine
. We're
alive and shall be:cities may overflow(am
was)assassinating whole grassblades,five
ideas can swallow a man;three words im
-prison a woman for all her now:but we've
such freedom such intense digestion so
much greenness only dying makes us grow

[E. E. Cummings (14.10.1894-3.9.1962),
Tulips and Chimneys 1923. Gedichte: americanpoems]

Mittwoch, 11. Oktober 2006

Solaris

„Um neunzehn Uhr Bordzeit stieg ich, vorbei an den Leuten, die den Schacht umstanden, über die Metallsprossen ins Innere der Kapsel hinab. Drinnen war gerade genug Platz, um die Ellbogen wegzuspreizen. Sobald ich das Ende in die Leitung geschraubt hatte, die aus der Wand hervorstand, blähte sich der Raumanzug auf, und von nun an konnte ich nicht die kleinste Bewegung mehr ausführen. Ich stand - oder hing vielmehr - im Luftbett, mit der Metallhülle in eins verfugt.
Als ich den Blick hob, sah ich durch die vorgewölbte Scheibe die Wände des Schachtes und weiter oben Moddards darüber-geneigtes Gesicht. Es verschwand sofort, und Finsternis brach herein, denn von oben wurde der schwere Schutzkegel aufgesetzt ..." [Stanislav Lem: Solaris 1972]
Bei Arte um 23:25 Uhr heute die geniale Verfilmung von Andrei Tarkowski.

Nachtrag: Wow! Nach fünf Minuten schon erkannt, dass das das Bild der völlig uninteressanten Hollywoodversion war: 100 Punkte für darkrond!. Und so bitteschön sieht der A. Tarkowsky aus und das ist zum Beispiel eine Szene aus dem Film von grade eben:

Donnerstag, 5. Oktober 2006

gaumendünung

ei ei ihr von stühler pulpe daktylische pocken auf sylts kaleidoskopalen mulden hellastischer illustration

hund hals die buhnen wauten da war's im gänsemarsch daß knöchelfrei und ginster wir zogen uns daumen im watt

doch an die d-zug-türen wer knallte den schichtenbau? der benn-eidetisch vergorne der asteroiden sah?

ich maulte phonem und amen von einem andenkaff von billy und mandscharo von propusk und rachenschaft

hund hals zyklamen wuten da war's vom ziegenstall daß hign-noon ich synapsen- de daumen uns schnappen sah

nach dünen hier o glyphen nach knappen weichen dort indes brennt an o mir schwante wonach der meerschaum pfiff

[Oskar Pastior: Gimpelschneise in die Winterreise
(Text- Adaptionen von Wilhelm Müller), 1997]

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Seit langen das beste...
Seit langen das beste Gedicht was ich gelesen habe....
Laura Kinderspiel - 12. Nov, 11:30
wow..
..echt "hot" diese Sonnenblumen.. seit langem die beste...
jump - 6. Sep, 11:53
Danke
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huflaikhan - 28. Aug, 08:25
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Hatschi
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jump - 17. Dez, 19:18
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BusterG - 17. Dez, 00:23
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Natürlich ist das ...
... AUCH an Dich gewandt. Ich würde doch sonst nicht...
BusterG - 17. Dez, 00:21

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