saumselig

Samstag, 28. Oktober 2006

Die dritte Kammer



[Bittermann, Doka: Die dritte Kammer. Geheime Gärten]

schicht I (petrarca)
aber der kuppe weithinsichtbarkeit!
fast immer ist sie im äuge mir. Wind-

wunde. di sich nicht schließt, krumm
holz, kriechholz, kargn flors abbiß,

wo über spitzign schöner, dornicht
im gegnmistral . . . wi er brieflich ver

sichert. gleich zwei hubschrauber,
schwarz, keine brief-perspektive,

eng zirkelnd überm karrée. rotoren
geschrapp; in zackn flucht der

mauersegler. di schrillend unter
tauchn in kurzgehaltner, dekapi

tierter luft. luft!, steigeisn der atem!
mittag der ausdünnt. dann ferne.

[Thomas Kling: morsch. Gedichte 1996]

Sonntag, 15. Oktober 2006

Am Meer



„Vom Stundenzeiger des Lebens. - Das Leben besteht aus seltenen einzelnen Momenten von höchster Bedeutsamkeit und unzählig vielen Intervallen, in denen uns bestenfalls die Schattenbilder jener Momente umschweben. Die Liebe, der Frühling, jede schöne Melodie, das Gebirge, der Mond, das Meer - alles das redet nur einmal ganz zum Herzen: wenn es überhaupt je ganz zu Worte kommt. Denn viele Menschen haben jene Momente gar nicht und sind selber Intervalle und Pausen in der Symphonie des wirklichen Lebens.“
[Friedrich W. Nietzsche geboren am 15.10.1844, Menschliches, Allzumenschliches]

[Buster: Der alte Mann besucht das Meer als es mal grade weg war, 2006]

Freitag, 13. Oktober 2006

Jetzt schlägts aber dreizehn

Entwarnung war gestern und Triskaidekaphobiker wie Paraskavedekatriaphobiker wissen es längst: Heute ist nicht nur Freitag der dreizehnte, die Quersumme des Datums ergibt ebenfalls Dreizehn. In ihrer milden Form führt die Phobie zu leichtem Unwohlsein. Mir sind aber genügend Fälle bekannt, wo Bekannte und Kollegen wichtige Reisen absagten, aufs Auto verzichteten oder sich aus Furcht, es könnte etwas Schlimmes passieren, nicht mehr aus dem Bett wagten. In Europa und den USA sollen rund 10 Prozent der Bevölkerung davon betroffen sein, nach anderen Umfragen sind es gar 25 Prozent.

Auf Napoleon, Bismarck, Henry Ford, Franklin D. Roosevelt oder Arnold Schönberg könnte Mensch sich berufen heute, oder wenigstens Voltaire zitieren: „Ich bin zu aufgeklärt, um nicht abergläubisch zu sein“.

[Robert Crumb: Friday 13th]

Montag, 24. Juli 2006

Vor hundert Jahren geboren ist ...

... Clemens Wilmenrod, erster deutscher Fernsehkoch, gab über zehn Jahre Anleitungen zum Kochen. „Star der Stars, der Höhepunkt des deutschen Fernsehens. Der ganze Vorgang ist so heilig wie abenteuerlich“ schrieb die FAZ über ihn. Mitten im allgemeinen Mangel der Nachkriegszeit mutierten Dosengemüse, Paprikapulver, Scheibletten, Fertigsoßen und Ketchup zu geradezu exquisiten Kulinaria, am Fenster allgegenwärtig ein Gummibaum.

Sein Kochbuch „Es liegt mir auf der Zunge“ steht bei mir im Regal. Es ist Kulturgeschichte, deshalb steht’s beim Norbert Elias nebenan. Rezepte heißen „Schöne Melu-sine“ (Hackfleich-Blumenkohl-Tomatenauflauf) oder „Torero-Frühstück“ (Leberwursttoast, ein Rezept von einer „glutäugigen Schönen aus Mexiko“). Die ganze Breitseite Exotik eben, die auch die „Schöne Spanierin“ ausstrahlte, die für Jahrzehnte im Wohnzimmer über der elterlichen Couch hing. Und schließlich 1955 der Toast Hawaii. Die Ananas bildete den Gipfel exotischen Geschmacks und musste natürlich aus der Dose sein – es gab nichts Moderneres. Über alles ordentlich Paprikapulver und Scheibletten, wie immer in 185 Folgen.

Der Rest ist Geschichte: In allen Kanälen wird seitdem gekocht bis das Empfangsgerät an Fettleber verendet. Schnellkochduell, Gruppenkochen mit Kerner, bekennende Trinker kochen sich was für Nebenher - nichts ist mehr heilig. Kaum wirft einer im weißen Kittel ein paar Paprika ins unbedingt immer sehr gute Olivenöl, geht schon ein Raunen und Zungenschnalzen durchs depperte Publikum. Ich schau schon gar nicht mehr hin, wenn die Olivers, Mälzers, Bioleks, Lafers und Konsorten die Kochlöffel verbiegen …

Freitag, 21. Juli 2006

Früher (vor sechs Monaten) war ...

... alles besser anders: 24 Grad minus um 14 Uhr, Nachts wurde es dann frischer. Gab auch viel mehr von dem weißen Zeug, wie heisst das gleich noch mal?

[Leutasch, Platzl, 21/12/05]

Mittwoch, 5. Juli 2006

Zur Warnung

„Jäger sind widerliche Lustmörder“ stand auf der schattigen Bank im Wald mit kindlicher Schrift - das „widerlich“ trotzig unterstrichen um das Verabscheuungswürdige des Gewerks hervorzuheben. Keine zweihundert Meter weiter lag der Jägermeister regungslos bäuchlings im Tümpel, Pferdefliegen geben sein letztes Geleit, die Verschlusskappe achtlos am Wegesrand zertreten.

Dienstag, 4. Juli 2006

vendetta per l'orso

Vor der „vendetta per l'orso“, Rache für den Bären Bruno, hatte Peter Michalzik heute in der FR noch gewarnt …

Samstag, 1. Juli 2006

Gleichklang

Leibniz, vor 360 Jahren in Leipzig geboren, behauptete, Gott habe unter allen möglichen Welten die beste für uns geschaffen, weil er allmächtig, allwissend und allgütig sei.

Und der gottgleiche Franz Beckenbauer entstieg dem Hubschrauber und verkündete über sein Hausblatt „Bild“: „Wir leben in einem Paradies, wir haben ein wunderschönes Land, das sieht man ganz deutlich im Hubschrauber.“

Sonntag, 18. Juni 2006

Lebensweltrationalisierung



„Wenn alle Tage im Jahr gefeiert würden, wäre Spiel so lästig wie Arbeit“ wusste schon der Meister William Shakespeare auch ohne tägliches Vorrundengekicke. In die gleiche Kerbe schlägt auch Aristoteles, wenn er mich mahnend zur Ordnung ruft: „Das Lernen ist kein Spiel, sondern eine ernste Mühe“. Ich will ja kein Spielverderber sein, wenn aber das Spiel ins Verderben führte?

Solchen Verdacht nährt auch meine Kranken Gesundheitskasse, die mir geschrieben hat, dass sie sich Sorgen macht:

„während die WM-Kicker bei der Jagd nach dem Leder massenhaft Kalorien verbrennen, gerät daheim die schlanke Linie schnell in Gefahr. Nur für den Torjubel verlässt der eingefleischte Fußballfan für wenige Sekunden sein Sofa - und ernährt sich ansonsten vier WM-Wochen lang hauptsächlich von Chips, Erdnüssen, Frikadellen und Bier.“
Und während ich noch zwischen Chips, Erdnüssen, Frikadellen und Bier die Webcam von denen in meinem Wohnzimmer meiner Südkurve suche, schlägt mir die Kranken Gesundheitskasse ungefragt vor:

„Ein entspannter Fahrradausflug, der in einem Biergarten mit Großbildleinwand endet, verschafft Ihnen den nötigen Bewegungsvorsprung (…) gerade bei den Nachmittagsspielen muss man die Snacks auch nicht immer mit einem Bier herunterspülen.“
Wenn die wüssten, dass ich Fußball gucken, kommentieren, Kommentare lesen und Spargel schälen muss, hätten die nicht so einen Blödsinn geschrieben sondern mich zum Krümelmonster Ernährungsberater von dem ganzen Krankenkasserl gemacht und ab dafür.

„Es ist der >Überschuß an Triebunbefriedigung<, der das Neugierverhalten in Gang hält, das allem Spiel zugrunde liegt.“
versucht sich Alexander Mitscherlich noch recht ungelenk an einer Spielanalyse der hölzernen Italiener. Aber für derlei Rückblicke hat in so einer dichtgedrängten Vorrunde doch kein vernünftiger Mensch Zeit. Als Lokalfan muss ich ja wohl oder übel die Japaner nochmals anfeuern, heute mit dem Altmeister Buson (in der Übersetzung von D. Krusche):

Langsam, Tag an Tag,
reihen sich aneinander
vergangene Dinge.

Hoffentlich nicht zu tiefsinnig für die japanischen Kicker. Nicht dass die am Ende vor lauter Grübeln gar nicht aus ihrer Hälfte kommen. Für mich ist auch der heutige Tag wieder der Suche nach dem normativen Kern gewidmet. Ich werde kleinere und hoffentlich auch größere Empiriebausteine eichhörnchengleich auf dem Marktplatz des Fußballspiels … ha ha ha happy birthday alter Düsseldorfer.

Und zum Abschluss gleichsam als Mantra für den Tag, den Japaner. alle Bewegungsfetischisten, alle Kranken und deren gesunde Kassen nochmals der Meister William Shakespeare:

"Wahrhaft groß sein heißt,
Nicht ohne großen Grund sich regen,
Doch einen Strohhalm selber groß verfechten,
Wenn Ehre auf dem Spiel."

Mittwoch, 14. Juni 2006

Grade mit Saudi bei Klaus ...

لا إله إلا الله ومحمد رسول أس السنة الهجري 1:0
لإسراء و المعراج Klaus 1:1
Saudi-Klaus لإسراء و المعراج
الأمر بالمعروف 1:2 والنهي عن المنك
لله ومحمد رسول 2:2 Saudi-Klaus مطوع

(Zwei Minuten früher hätte das Spiel schon enden sollen.)

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Laura Kinderspiel - 12. Nov, 11:30
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BusterG - 17. Dez, 00:23
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Natürlich ist das ...
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BusterG - 17. Dez, 00:21

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