Samstag, 13. Januar 2007

zum Schneckengang verdorben



[Buster: Schiff, 2007]

Karl v. Moor: „Pfui! Pfui über das schlappe Kastratenjahrhundert, zu nichts nütze, als die Taten der Vorzeit wiederzukäuen, und die Helden des Alterthums mit Kommentationen zu schinden, und zu verhunzen mit Trauerspielen. Die Kraft seiner Lenden ist versiegen gegangen, und nun muss Bierhefe den Menschen fortpflanzen helfen. (…)

Das Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wäre. Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freiheit brütet Kolosse und Extremitäten aus."

[Friedrich Schiller: Die Räuber, Erster Akt, Zweite Szene. Uraufführung am 13.01.1782 in der Mannheimer Nationalbühne].

Freitag, 12. Januar 2007

Hier ist nichts düster, das scheint nur so



[Buster: Schiffswerft, 2007]

Donnerstag, 11. Januar 2007

Und was noch nicht gestorben ist

Mit seinem Glück, seiner Gefahre
Der Krieg, er zieht sich etwas hin.
Der Krieg, er dauert hundert Jahre.
Der g'meine Mann hat kein Gewinn.
Ein Dreck sein Fraß, sein Rock ein Plunder!
Sein halben Sold stiehlts Regiment.
Jedoch vielleicht geschehn noch Wunder:
Der Feldzug ist noch nicht zu End!
Das Frühjahr kommt! Wach auf, du Christ!
Der Schnee schmilzt weg! Die Toten ruhn!
Und was noch nicht gestorben ist
Das macht sich auf die Socken nun.

[B. Brecht: Mutter Courage und ihre Kinder, 1939]

Im Deutschen Theater in Ost-Berlin inszenierte Bertolt Brecht "Mutter Courage und ihre Kinder" mit dem von ihm und seiner Frau Helene Weigel vor 62 Jahren gegründeten Berliner Ensemble, das ab 1954 im eigenen Haus, dem „Theater am Schiffbauerdamm“, spielte.

Mittwoch, 10. Januar 2007

Apple my life

Als ich vor 24 Jahren nächtelang vor einem Apple Lisa-Computer saß, ein wahrscheinlich von emigrierten Volvo-Designern entwickelter über dreißigtausend Mark teurer Schuhkarton mit der Displaygröße einer Zigarettenschachtel und einer gefühlten Rechenleistung knapp über dem Commodore 64 dachte ich mir offen gesagt: Wären die nicht doch besser in ihrer Garage geblieben? Sicher: Das Bedienkonzept, die Maus, die Metaphern – toll, toll … aber wer braucht so was?

Als Apple heute das I-Phone vorstellte, eine ganz offensichtlich in die Schrottpresse gelangte Melange von Jukebox, Handheld und Bakelitttelefon, dachte ich noch – während die Aktie enthusiastisch um fast fünf Prozent stiegt – Wer braucht so was?

Ich bin bei solchen Gadgets nicht grade fürn Dernier Cri. Mein 6310 wurde die Tage als der Scharping unter den Mobiltelefonen bezeichnet. Meine Frage kann daher schon allein aufgrund meiner nachgewiesenen Inkompetenz als sehr unfair bezeichnet werden. Es gibt objektiv betrachtet unzählige Einsatzmöglichkeiten. Wer wollte nicht schon immer Telefonieren beim Musikhören und Surfen? Oder Musikhören beim Surfen und Telefonieren? Oder Telefonieren, oder Musikhören, oder Surfen? Na bitte, geht doch.

Wie wird es weitergehen? Natürlich wird I-Phone 2.0 auch fotografieren können, im Modell 2.1 wird ein Mehrkopfrasierer integriert werden. Modell 2.2 wird schon als Kamm einsetzbar sein, eine elektrische Zahnbürste und kleine Tanks für After Shave, Lippenstift, Nagellack, Kondome, Zigaretten und dergleichen enthalten. Eine lokalisierte süddeutsche Variante wird in einen haushaltsüblichen Besen eingebaut, damit auch während der Kehrwoche auf keinen Komfort verzichtet werden muss. Die Displays werden im Vorfeld der Europameisterschaft größer werden und klappbar, das Sondermodell 2008 enthält sogar ein geräumiges Dach, einen gekühlten Bierkasten und eine Fanbank. Dann wird unaufhaltsam die Diversifizierung einsetzen: Die Modelle-Linie „I-home“ kannen zunächst lediglich Geschirrspülen, bügeln und staubsaugen. Für noch größeren Absatz wird "I-mobile" sorgen: Dank des eingebauten 12-Zylinder Hybridmotors, wird Fortbewegeng kein Problem mehr sein. Das Modell „I-Life“ beinhaltet zusätzlich einen virtuellen Agenten für das Management des Restlebens: Wahlweise mit der Stimme von Beckmann, Kerner oder Verona Poth ausgestattet, wird vollautomatisch von der Verdauung, der politischen Willensbildung bis zur automatischen Kindererziehung alles über Multiple-Choice am Display geregelt.

Und dann Herrschaften, wird der Akku meines 6310 zwar langsam schwächer werden, aber ich werde etwas in Händen halten, das einfach nur telefonieren kann.

Na irgendwie



[Buster: Bellevue auf Landgang. 2007]



Na irgendwie

Leute verstehen nicht ein
Begräbnis, Leute sind krude.

Nimm ein paar Leute zusammen
und stell sie fröstelnd um

ein Feuer aus altem Pack
Papier. Leute schlagen ihre

Hände zusammen, Leute denken
an was anderes als an Feuer

:vielleicht denken sie an
Bitte, die Haustür nach 22 Uhr

verschließen, vielleicht an etwas
Abgehacktes, sie denken an...

Na, dann packen wir den alten Kram
zusammen, der maln Körper

war, falten ihn im Hausflur
zusammen, in der Ecke, einer

hält'n schwarzes Tuch davor,
falls mal jemand in dem Mo

ment ins Haus reinkommt, bei
den Fahrädern, und dann ab.

[Rolf D. Brinkmann: Westwärts 1&2]

Dienstag, 9. Januar 2007

Ist nicht mal wieder Zeit?



[Buster: Schöner Wohnen, 2007]

Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.

Ja, das möchste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn -
aber abends zum Kino hast dus nicht weit.

Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:

Neun Zimmer - nein, doch lieber zehn!
Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,
Radio, Zentralheizung, Vakuum,
eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm,
eine süße Frau voller Rasse und Verve -
(und eine fürs Wochenend, zur Reserve) -,
eine Bibliothek und drumherum
Einsamkeit und Hummelgesumm.

Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste,
acht Autos, Motorrad - alles lenkste
natürlich selber - das wär ja gelacht!
Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.

Ja, und das hab ich ganz vergessen:
Prima Küche - erstes Essen -
alte Weine aus schönem Pokal -
und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.
Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.
Und noch ne Million und noch ne Million.
Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.
Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.

Ja, das möchste!

Aber, wie das so ist hienieden:
manchmal scheints so, als sei es beschieden
nur pöapö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
hast du die Frau, dann fehln dir Moneten -
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.

Etwas ist immer.
Tröste dich.

Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Daß einer alles hat:
das ist selten

[Kurt Tucholsky: Das Ideal]

Montag, 8. Januar 2007

43 Jahre ...



[Buster: Recht auf Urlaub, 2007]

Sonntag, 7. Januar 2007

Noch ist ...

„Die Theologie ist heute klein und hässlich.“
[W. Benjamin: Über den Begriff der Geschichte, 1950]

Freitag, 5. Januar 2007

Wir können im Grab so gut wimmern wie in der Wiege

Danton: „Will denn die Uhr nicht ruhen? Mit jedem Picken schiebt sie die Wände enger um mich, bis sie so eng sind wie ein Sarg. - Ich las einmal als Kind so 'ne Geschichte, die Haare standen mir zu Berg. Ja, als Kind! Das war der Mühe wert, mich so groß zu füttern und mich warm zu halten. Bloß Arbeit für den Totengräber!
Es ist mir, als röch' ich schon. Mein lieber Leib, ich will mir die Nase zuhalten und mir einbilden, du seist ein Frauenzimmer, was vom Tanzen schwitzt und stinkt, und dir Artigkeiten sagen. Wir haben uns sonst schon mehr miteinander die Zeit vertrieben.
Morgen bist du eine zerbrochene Fiedel; die Melodie darauf ist ausgespielt. Morgen bist du eine leere Bouteille; der Wein ist ausgetrunken, aber ich habe keinen Rausch davon und gehe nüchtern zu Bett - das sind glückliche Leute, die sich noch besaufen können. Morgen bist du eine durchgerutschte Hose; du wirst in die Garderobe geworfen, und die Motten werden dich fressen, du magst stinken, wie du willst.
Ach, das hilft nichts! Jawohl, es ist so elend, sterben müssen. Der Tod äfft die Geburt; beim Sterben sind wir so hilflos und nackt wie neugeborne Kinder. Freilich, wir bekommen das Leichentuch zur Windel. Was wird es helfen? Wir können im Grab so gut wimmern wie in der Wiege.“

[Georg Büchner: Dantons Tod. Vierter Akt, Dritte Szene, 1835.
Uraufführung am 5. Januar 1902]

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Laura Kinderspiel - 12. Nov, 11:30
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