Sonntag, 21. Januar 2007

Hart auf der Hälfte des Lebens



[Buster: Heute geschlossen. Collage, 2007]

Der Halbmond glänzet am Himmel,
und es ist neblicht und kalt.
Gegrüßet sei du, Halber, dort oben,
wie du, bin ich einer, der halb.

Halb gut, halb übel geboren,
und dürftig in beider Gestalt,
mein Gutes ohne Würde,
das Böse ohne Gewalt.

Halb schmeckt ich die Freuden des Lebens,
nichts ganz als meine Reu;
die ersten Bissen genossen,
schien alles mir einerlei.

Halb gab ich mich hin den Musen,
und sie erhörte mich halb;
hart auf der Hälfte des Lebens,
entfloh'n sie und ließen mich alt.

Und also sitz ich verdrossen,
doch läßt die Zersplitterung nach;
die leere Hälfte der Seele
verdrängt die noch volle gemach.

[Franz Grillparzer: Der Halbmond glänzet am Himmel, 1835]

Sonntagsspaziergang



[Buster: Beckstein und Huber reden während des Sonntagsspaziergangs auf den verstockten Seehofer ein. Collage mit Aquarellfarbe, 2007. Ankleidepuppen: Deutsches Spielzeugmuseum Chemnitz 1903]

Samstag, 20. Januar 2007

Nun gut, wer bist Du denn?

Faust: Nun gut, wer bist Du denn?
Mephisto: Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
Faust: Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?
Mephisto: Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht.

Freitag, 19. Januar 2007

Keine vier Wochen mehr ...

Silence

There are some qualities–some incorporate things,
That have a double life, which thus is made
A type of that twin entity which springs
From matter and light, evinced in solid and shade.
There is a two-fold Silence–sea and shore-
Body and soul. One dwells in lonely places,
Newly with grass o'ergrown; some solemn graces,
Some human memories and tearful lore,
Render him terrorless: his name's "No More."
He is the corporate Silence: dread him not!
No power hath he of evil in himself;
But should some urgent fate (untimely lot!)
Bring thee to meet his shadow (nameless elf,
That haunteth the lone regions where hath trod
No foot of man,) commend thyself to God!

[Edgar A. Poe: silence, 1839]

Works
in Wkisource, Erzählungen als Hörbücher

Donnerstag, 18. Januar 2007

Orkanforschung II



[Buster: Milchcafee vor dem Sturm, 2007]

Als ich gelandet war und in die Stadt fahre, gießt es in Strömen. Spitze Windstöße reißen in halbstarker Lust Zweige vom Flieder, rüttelten wütend am Buchs. Wasser spült einsam die zunehmend schwankenden Straßen. Die Alleebäume recken ob dieser Verwüstung ganz und gar ohnmächtig die gepeitschten Arme zum verdunkelten Himmel. Die entfesselte, ungestüme Natur steht im grellen Gegensatz zur Mittelmäßigkeit der Businsassen. Müde Schwerfälligkeit quillt aus glasigen Augen, an buschigen Augenbrauchen kondensiert Entsetzen.

Ich bin eingeschlossen. Eine dünne Glasscheibe nur trennt mich vom tosenden Wind - vom Lebendigen, Frischen. Drei Millimeter Glas genügten heute schon, mich als Gefangener zu fühlen. Was aber würde ich tun, mit einer plötzlich geschenkten Freiheit?

beim Donner die Erde berühren

Auf die Sterne soll man nicht mit Fingern zeigen; in den Schnee nicht schreiben; beim Donner die Erde berühren: also spitzte ich meine Hand nach oben, splitterte mit umsponnenem Finger das in den Silberschorf neben mir, (Gewitter fand grade keins statt, sonst hätt ich schon was gefunden!) (In der Aktentasche knistert das Butterbrotpapier).
Der kahle Mongolenschädel des Mondes schob sich mir näher. (Diskussionen haben lediglich diesen Wert: dass einem gute Gedanken hinterher einfallen).

[Arno Schmidt: Aus dem Leben eines Fauns, 1953]

Mittwoch, 17. Januar 2007

Weltuntergang - überwiegend trocken …

... vereinzelt Sonne, ich war umgeben von Hurrican-Experten heute.

09:05 Uhr, Windstill, Sonne: Arzthelferin (mit geübtem Blick aus dem Fenster zum Hinterhof) „Die Ruhe vor dem Sturm sag ich Ihnen“.

11:00 Uhr, Windstärke 1-2 aus wechselnden Richtungen, Sonne: Spaziergänger mit Hund (erste, von Westen aufziehende, Wolken am Horizont abschätzend) „Ja so geht das nun los, war letzte Woche genauso“.

13:30 Uhr, Windstill, überwiegend bedeckt: Gemüsehändlerin (leise, sich nach vorne beugend) „In Kalifornien sind sogar die Orangen gefroren, da kommt noch was, glauben Sie mir“.

14:00 Uhr, Windstärke 1-2 aus wechselnden Richtungen, überwiegend bedeckt: Weinhändler (mit der rechten Hand die Türe aufhaltend, die linke zum Himmel erhoben) „Das wird was geben. Ich kenn das.“

17:50 Uhr, Windstärke 1-2 aus Westen, leichter Nieselregen: Werkstattmeister (das Tor öffnend) „Ahja, jetzt bläst es schon doller. Da braut sich was zusammen, können Sie mir glauben.“

18:15 Uhr, Windstärke 1-2 aus wechselnden Richtungen, überwiegend trocken: Einzelhändlerin (meine Nahrungsmittel einpackend) „Ja das ist immer gut, wenn man ein paar Nahrungsmittel zuhause hat. bei dem was da kommt.“

21:20 Uhr, Windstill, leichter Regen: Ich führe Selbstgespräche beim Schaufeln der Sandsäcke. Im Zehnminutentakt unternehme ich sorgfältige Wetterbeobachtungen auf dem Balkon. Kachelmann ist telefonisch nicht erreichbar, wahrscheinlich schon im Schutzbunker. Warum gibt es keine Sondersendung, wann wird der Strom unterbrochen sein? Alle Fenster sind vernagelt, Kerzen und Äxte griffbereit. Der Generator läuft rund. Jetzt ist jeder auf sich allein gestellt …

„Die stillsten Worte sind es, welche den Sturm bringen.
Gedanken, die mit Taubenfüßen kommen, lenken die Welt.“
[F. W. Nietzsche: Menschliches Allzumenschliches]



[Buster: 11:08 Uhr - Vereinzelt Sonne, 2007]

Dienstag, 16. Januar 2007

Rheinkontrolle und kleiner Dienstweg heute



[Buster: In der Rheinproffe, 2007]

Ich habe die Tage mehr Mails bekommen als mir lieb war. Todestage von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg seien hier ungewürdigt geblieben. Der Geburtstag von Proudhon wäre völlig unerwähnt und auch Moliere wäre keine Zeile wert gewesen. Die Tage erst habe ich im „Qu’est-ce que la propriété“ wie auch im unvergessenen „Le Malade imaginaire“ gelesen:

“Vivat, vivat, vivat, vivat, cent fois vivat
Novus doctor, qui tam bene parlat!
Mille, mille annis et manget et bibat,
Et seignet et tuat!“

[Molière : Le Malade imaginaire]

Und: Nichts darüber geschrieben. JA! Nichts. Und wer jetzt immer noch glaubt, dies sei hier das Volxhochschulblog für Grenzlinke und Globalkultivierte, die nicht mehr in eines der zahllosen Online-Lexikas schauen müssten um mal eben up-to-date zu sein, der hat sich, ja der hat sich nun leider geirrt – manchmal jedenfalls.

Montag, 15. Januar 2007

Vom Fordern und Fördern

Menschen, die ihre Arbeit verlieren, haben es nicht immer leicht – insbesondere, wenn sie nicht mehr zwanzig Jahre alt sind, kann jemand schnell schwer vermittelbar werden. Birgit Fischer etwa, musste ihren geliebten Arbeitsplatz als NRW-Gesundheitsministerin nach verlorener Wahl jemand anderem überlassen und konnte sich mit dem kargen Abgeordnetensalär mehr recht als schlecht durchschlagen – immer Harz IV als Drohung im Nacken. Auch Axel Horstmann, das ist der ehemalige NRW-Energieminister, musste einen solchen schweren Schicksalsschlag hinnehmen. Nun ist es zweifelsohne die fordernde Aufgabe unserer Gesellschaft Rahmenbedingungen zu schaffen, damit auch ältere Mitbürger gerade nach solchen harten Prüfungen wieder ins Berufsleben integriert werden können. Und siehe da: Alles wurde gut!

Axel Horstmann, das ist der ehemalige NRW-Energieminister, arbeitet seit September letzten Jahres als Generalbevollmächtigter bei EnBW. Birgit Fischer, das ist die ehemalige NRW-Gesundheitsministerin, ist seit Anfang Januar stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Barmer Ersatzkasse. Ein schönes Beispiel wie sich auch ältere Mitbürger, wenn sie sich ihrer profunden Erfahrungen erinnern, selbst in fortgeschrittenem Alter noch Beschäftigung und Bestätigung finden können zum Nutzen und Frommen aller Beteiligten: Der EnBW wird nachgesagt, sie hätte hohes Interesse am NRW-Markt, die Barmer freut sich auf exklusive Informationen zur Gesundheitspolitik aus dem SPD-Vorstand. Natürlich sehen beide keinen Grund, das politische Mandat niederzulegen, aus moralischen Gründen versteht sich. Birgit Fischer gestern im wdr:

„Es gibt die Verantwortung, die man übernommen hat mit der Wahl, mit dem Antritt eines Mandates. ich bin direkt gewählte Abgeordnete. Und hab im Grunde, wenn man so will, eine moralische Verpflichtung auch meinem Wahlkreis gegenüber. Und die Verpflichtung werde ich auch weiter ausfüllen.“

Statt nun solche vorbildliche Biographien als erstrebenswertes Beispiel gegen die grassierende Altersarmut zu propagieren, sieht der WDR völlig unverständlich mögliche Interessenskonflikte und fragt sich neidzerfressen, wie manche Mitmenschen mehrere Vollzeitjobs – und natürlich auch mehrere Gehälter – bewältigen. Sogar der Bund der Steuerzahler darf an honorigen ehemaligen Ministern kleinkariert herumkritteln. Pfui was eine Neidgesellschaft schon wieder …

Schmonzette der Woche



[Buster: Letzte Sonne am Wasserturm - eine richtig kitschige Schmonzette, 2007]

Sonntag, 14. Januar 2007

Mitten in Europa

Der neue geographische Mittelpunkt der Europäischen Union soll nach dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien im hessischen Main-Kinzig-Kreis liegen: IGN, das Nationale Geographische Institut Frankreichs, berechnete das neue Zentrum der EU etwa vier Kilometer südlich der Kreisstadt Gelnhausen, etwa 250 Meter entfernt von dem Hügel „Niedermittlauer Heiligenkopf“ im Ortsteil Meerholz.

Ich sollte an dieser Stelle erwähnen, dass ich immerhin drei Mal in meinem von unsagbar gefährlichen Abenteuern unzählbar reichen Leben in Gelnhausen vorbeigeschaut habe. Einmal sogar dort übernachtet habe in so einer Art Mühle mit pseudobarock-eingerichtetem Frühstücksraum, allerlei Putten und einer überbordenden Brunnenattrappe inmitten des kärglichen Frühstückbuffets. Früher residierte dort auch die Zentrale eines mehr als zwielichtigen Möbelhauses bei dem – so versicherte mir glaubhaft beim Arbeitsfrühstück ein Einheimischer – kein Ortsansässiger auch nur im Traum zu kaufen dachte. Zahlreiche leerstehende Kasernen sorgten für echtes Ostzonenfeeling mitten im piefigen Hessen. Ein Städtchen jedenfalls, in dem keiner keinem traut und alle Dienstags im gleichen Kirchchor zu singen vorgeben. Verstaubt, Verstockt, Vergessen. Was ein gelungener Mittelpunkt, wollte ich nur mal gesagt haben.

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Seit langen das beste...
Seit langen das beste Gedicht was ich gelesen habe....
Laura Kinderspiel - 12. Nov, 11:30
wow..
..echt "hot" diese Sonnenblumen.. seit langem die beste...
jump - 6. Sep, 11:53
Danke
Danke
huflaikhan - 28. Aug, 08:25
Ich mag sowas ja sehr...
Ich mag sowas ja sehr gerne lesen, vor allem richtig...
huflaikhan - 26. Dez, 16:15
Hatschi
... ok, bin wieder auf dem Boden der Tatsachen.. ;-)
jump - 17. Dez, 19:18
So weit!
Ja genau, also doch schon gar sooo weit ;-).
BusterG - 17. Dez, 00:26
Das ist in der Nordeifel:...
Das ist in der Nordeifel: Heimbach in Nebel und Sonnenschein.
BusterG - 17. Dez, 00:24
Geschätzte Wassertemperatur:...
Geschätzte Wassertemperatur: ca zwei Grad, also vielleicht...
BusterG - 17. Dez, 00:23
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BusterG - 17. Dez, 00:21
Natürlich ist das ...
... AUCH an Dich gewandt. Ich würde doch sonst nicht...
BusterG - 17. Dez, 00:21

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