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Donnerstag, 15. Februar 2007

greatest happiness

Wegen seiner immensen Rohstoffvorkommen an Kölsch und Mettbrötchen gilt Köln für zahlreiche Bewohner des Rheinlandes als eine der (erlebnis-)reichsten Städte der Welt, um provokativ mal das Wort „Weltstadt“ zu vermeiden. Nicht zuletzt deshalb strömen aus dem Umland einem kollektiv praktizierten, wiederkehrenden Ritual gleich, allabendlich erlebnishungrige Angehörige der Landbevölkerung in die Kölner Innenstadt. Bevorzugtes Beförderungsmittel ist hierbei neben den weit ins öde Land ausgreifenden Straßenbahnen Kölns der Vorortzug den Herr Mehdorn fahrlässig und zu viel versprechend „Regional-Express“ nennen lässt.

Als ich die Tage in einem solchen „Express“ sitzend die ridikül-clowneske Mütze der mir gegenüber auf der Bank hüpfenden etwa Achtjährigen lobe, in Hoffnung die offensichtlich völlig überzuckerte, hysterisch auf dem Sitz Stampfende (deren Mutter sicher unentwegt die drei Buchstaben „ADS“ im Munde führt, wenn die Sprache auf dieses engelsgleiche Wesen kommt) möge sich durch maßvolle Komplimente etwas beruhigen. Ich bekomme ein trockenes „Klappe Du Dickarsch“ zur Antwort und schließe hieraus nicht nur auf erkleckliche Erziehungsdefizite sondern auch darauf, dass es sich wohl gar nicht um eine Verkleidung handeln soll.

In der Tat habe ich insbesondere in diesen Zeiten auch in stocknüchternem Zustand etliche Mühe, Mitmenschen dahingehend zu beurteilen, ob ihre Bekleidung karnevalistisch begründet ist oder ganz und gar ernstgemeinte respektive sogenannte Alltagskleidung darstellen soll. Nicht immer ist es so leicht wie bei meiner Nebensitzerin, die sich blinkende rote Hörner auf dem Kopf tragend einen rotschwarzen Dreizack auf die Wange gemalt hat und so jedem offen legt, dass sie sich für teuflisch hält resprektive so gesehen werden will, soll und kann.

Kaum ist die achtjährige Krawallmacherin in irgendeinem unaussprechlichen Kaff zwischen Bonn und Köln ausgestiegen, nimmt mir gegenüber ein offensichtlich als Callgirl verkleideter Teenager Platz: Ein silberfarbener Minirock in dem ein unbedarfter Bonner Ministerialbeamter auch eine breitere Krawatte hätte vermuten können, kombiniert mit goldenen High-Heels und einer ebenfalls goldenen Handtasche aus Krokodillederimitat. Neben ihr ein offensichtlich als eine Mischung aus Blues Brothers und Cherno Jobatey verkleideter Junge: Der arg zerknitterte schwarze Anzug wurde dabei wenig originell mit weißem Hemd und weißer Krawatte zu weißen Turnschuhen mit vierfingerhohen Plateausohlen kombiniert. Dazu trägt er selbstverleugnend eine Stevie-Wonder Sonnenbrille. Beide haben sich, wie ich bald erfahre, ins Kino verabredet und sehen sich selbst vermutlich gar nicht verkleidet.

Als sich dann noch ein älteres Pärchen in mein Blickfeld schiebt, sie mit federn-puschigem rosafarbenem Hütchen, er als früher Helmut Schmidt verkleidet mit Lotsenmützte, ganz der Tüp, der in der Kritik der reinen Vernunft einzelne Sätze anstreicht, an den Rand mit Bleistift „sehr richtig“ schreibt und mit Ausrufezeichen versieht. Was will mir die Frau im grellroten Mantel zu verstehen geben, die mir eine prall gefüllte Tragetasche entgegenreckt auf der „Ja ich will …“ steht? Geht’s denn noch eindeutiger? Beim Aussteigen dann fand sich doch noch das desillusionierende Verb „… sparen“ auf der Tüte ein.

„Erfahrung ist verstandene Wahrnehmung“ lehrt uns Kant Bescheidenheit [Kant, I.: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik die als Wissenschaft wird auftreten können, 1783] und es ist wohl doch „das Verstehen“ mein Problem. Ich bin nun mal ein Immi, ich muss das nicht alles verstehen und beschliesse, dass es sich hierbei um ein bislang noch ganz und gar unerforschtes Phänomen Südkölner Vorortzüge handelt oder gar die Folge von fehlgeleiteten Maximen zur Beförderung der greatest happiness for the greatest number?

Aber was beklage ich mich? Anderwo gehts noch viel dummdreister vonstatten: Hunderte Diletantinnen im langen Abendkleid und Diletanten im Frack werden ihn um 22 Uhr eröffenen, die Netrepko fährt in den Saal mit einer originalrestaurierten Kutsche ein, vom Herrn Glaubstdunicht höchstpersönlich kutschiert. Ein ehemaliger Nicaragua-Helfer darf auch erstmals die gefrackte Ordensbrust herzeigen und der Herr Mörtel hat heuer die Paris Hilton eingeladen von der zu hoffen ist, dass sie von den Afterwinden des Zeitgeistes weggeblasen wird heute abend und wenigstens ihre Unterwäsche beinander hat.

Donnerstag, 8. Februar 2007

Das gesamte Land aufklären

„Die Aufklärung“ - oder um es mit Immanuel Kant zu sagen „die Maxime, selber zu denken“ - ist „keine Kaffeefahrt“, vertraute Reinhold Robbe (SPD), Wehrbeauftragte des Bundestages, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ an.

„Aufklärung dient vorrangig dem Schutz“ weiß dagegen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und: „Aufklärung ist nicht Kampfeinsatz“. Vorgestern in Kabul hat er sich sogar zur Aussage verstiegen: „Der Tornado kann das gesamte Land aufklären“. Die Rede ist vom Einsatz der „Aufklärungsmaschine“ Tornado-Flugzeug vom Typ „Recce“, die in den Händen eines Johann Gottfried Herder oder Immanuel Kant zur schrecklichen Waffe werden könnte.

Informationen über Sexualität könnte an Jugendliche und junge Erwachsene weitergegeben werden mit der Absicht, diese zu einer Form der Ausübung des angeborenen Sexualtriebs zu führen, die unserem Kulturkreis und der dort vorherrschenden Sexualmoral entspricht. Patienten könnten informiert werden über ihre Erkrankung und geplante Diagnostik oder Therapiemaßnahmen. Morde und andere Straftaten könnten aufgeklärt werden und breite Kreise der Bevölkerung würden in die Lage versetzt, Deutungs- und Aufklärungsfähigkeit zu erwerben was dem Ende der Religion gleichkäme: „Die hohe, reich dotierte Geistlichkeit fürchtet nichts mehr als die Aufklärung der unteren Massen.“ so Geheimrat Goethe zu Eckermann.

„Der größeste Teil der Menschen ist Tier; zur Humanität hat er bloß die Fähigkeit auf die Welt gebracht, und sie muß ihm durch Mühe und Fleiß erst angebildet werden“ warnte Johann Gottfried Herder in seinen „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ vergeblich. Dennoch sind scheinbar nicht alle an besseren Vernichtungsmöglichkeiten des Feindes durch klarere Sicht auf diesen interessiert. Andreas Schockenhoff (CDU), Experte für vernichtende Verunsicherung, spricht in gleichem Zusammenhang von „optimaler Aufklärung“ wohlwissend, dass es ein Zuviel an Aufklärung nicht geben kann.

Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages, Otto Fricke (FDP), forderte in der „Netzeitung“ eine vernünftige Kostenkalkulation für den Einsatz der Aufklärungsmaschinen, der Bundestag werde keinen „ungedeckten Scheck“ für Aufklärung ausstellen. Weit über 200 Jahre sind es her, dass Kant in seiner Schrift „Was ist Aufklärung?“ forderte „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Ganz unverständlich daher das Treiben vom stellvertretenden Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin, der die Bundesregierung in der „Berliner Zeitung“ aufforderte, zu belegen, dass es tatsächlich einen Bedarf für die Tornados - sprich Aufklärung - gebe.

„Was hilft alle Aufklärung, alles Licht, wenn die Leute entweder keine Augen haben oder die, die sie haben, vorsätzlich verschließen?“ [G. C. Lichtenberg, Sudelbücher]

Freitag, 2. Februar 2007

Weniger geht immer …

„Und das Herz ging ihm wie verrückt und ich habe ja gesagt ja ich will Ja“

lässt Geburtstagskind James Joyce sein „Ulysses“ enden, dabei wäre es heute so immens wichtig „Nein“ zu sagen. Es geht mir ausnahmsweise nicht um Klimakatastrophe, Gesundheitsreform, Nahostquartettspiele oder Bunteliga. Vom Jobkiller „Mindestlohn“ ist die Rede, vieltausendköpfige Leserschaft.

Und spätestens seit auch die USA, die neuerdings schon verdächtig nahe am Staatskommunismus agieren, endlich ihr wahres Gesicht zeigen, bleibt für unsere Rettung nur noch Günther. Soll keiner sagen, Günther hätte uns nicht gewarnt: Grade eben wieder im Sender N24 wiederholt er mantrahaft wie seit vier Tagen: „Bei 7,50 Euro Mindestlohn gibt es viele Arbeitsplätze bald nicht mehr.“

Abertausende Arbeitsplätze werden wegfallen, wenn hierzulande Mindestlöhne eingeführt werden! Und das Herrschaften wo doch ein Arbeitsplatz so was unglaublich Soziales ist, wie der Günther immer wieder betont. Nehmen Sie die Friseurin, die bei einem Tariflohn von 3,06 € als Vollzeitbeschäftigte heutzutage fast 500 € nach Hause bringen darf: Zack wäre die ihren tollen und gutbezahlten Arbeitsplatz los und wir würden uns alle die Haare in Bulgarien scheiden lassen, weil dort der Tariflohn 53 Cent beträgt.

Die Mehrzahl der Industrieunternehmen – vorneweg Siemens – würden ihre Gebäude nach Nordkorea verlagern weil sie dort fürn Appel und ein Ei gereinigt werden und auch Zimmermädchen, die ja auch auf 400 Euro im Monat kommen, werden arbeitslos: Das Adlon würde wie alle Hotels einfach an den Plattensee verlegt. Unser Mittagessen nehmen wir im Tschad ein und machen damit die Küchenhilfe (5,13 €) ebenso arbeitslos wie den Briefträger (Postwesen 6,05 €), weil wir unsere Briefe selbst in Indien abholen. Auf dem Heimweg kaufen wir noch schnell in Vietnam etwas ein, schon ist die Fachverkäuferin (6,56 €) ihren Job los und dann geben wir dem Wachmann (5,93 €) im Kongo Bescheid, dass er den Objektschutz der Doppelgarage in Bonn-Beuel auch ordentlich macht.

Und würde zum Beispiel für Ministerpräsidenten ein Mindestlohn vereinbart werden von 7 Euro 50 die Stunde, was soll ich sagen: Der Job wäre schneller nach Rumänien outgesourct als wir wählen können. Dort gibt es zwar auch einen Mindestlohn, der beträgt aber nur 66 Cent die Stunde und so ein Land wie Baden-Württemberg lässt sich schon mal von Transsylvanien aus regieren, ohne dass die Stammwählerschaft was merkt.

„Wir leben in einem Land voller Chancen“ schreibt Günther und mit etwas Glück werden wir ja auch Vorstandsvorsitzender einer Bank bei 4.000 Euro pro Stunde. Das sind zwar nicht mal eine Million Euro im Monat Grundlohn, aber zum Notwendigsten wird’s schon reichen.

[Tariflöhne: Hans Böckler Stiftung]

Dienstag, 23. Januar 2007

Blöde Patienten



[Buster: Doppelte Dosis, Bleistift und Textmarker auf Speiseplanrückseite, 2007]

Der Physiker Johann Wilhelm Ritter wies an Fröschen nach, dass Muskelfasern, Nerven und Gewebeflüssigkeit in ständigem elektrischen Austausch stehen. Um zu klären, welche Auswirkung Strom auf den Puls, Zeugungs- und Sinnesorgane haben, schreitet er zum Selbstversuch. In der Folge leidet er unter heftigen Schmerzen und Entzündungen, Schwindel und Erbrechen, zeitweise erblindet er. Ritter – Begründer der Elektrochemie und Entdecker der UV-Strahlen – stirbt 1810 mit 33 Jahren.

Der Arzt William Stark stellt sich die Frage nach der richtigen Ernährung des Menschen und geht davon aus, dass eine möglichst abwechslungsreiche Ernährung das Beste für die Gesundheit ist. Stark möchte dies nachweisen indem er sich konsequent falsch ernährt: Wochenlang nimmt er nur Brot und Wasser zu sich – 1770 stirbt Stark mit 29 Jahren.

Andrew White sucht nach einem Mittel gegen die Pest und testet an sich selbst als Gegenmittel die Ansteckung mit Malaria: Keine sechs Tage später stirbt er.

Den ersten Impfstoff gegen die Kinderlähmung entwickelte Jonas Salk im Jahr 1952 aus abgetöteten Viren, die er im Selbstversuch an sich und seiner Familie ausprobierte. Albert Bruce Sabin erfand daraufhin einen Impfstoff aus lebenden, aber abgeschwächten Viren, das Kinder als Schluckimpfung auf einem Stück Zucker einnahmen.

Der Pathologe Barry Marshall möchte nachweisen, dass Magengeschwüre nicht durch Stress sondern durch Bakterien ausgelöst werden und schluckt rund eine Milliarde davon und bekam ein lehrbuchreifes Magengeschwür.

Lange boomte der Selbstversuch, insbesondere Ärzte forschten oft am eigenen Körper, tranken Gift, infizierten sich absichtlich oder schluckten Bakterien. Irgendwann muss sich das insofern geändert haben, dass Ärzte doch lieber Patienten für solche Forschungsfelder einsetzten. Natürlich erst, nachdem sie diese gezwungen haben zu unterschreiben, dass alles auf ganz und gar freiwilliger Basis von sich geht.
Als ich die obige Liste meinem behandelnden Arzt heute in seiner Kaffeepause vorgelesen habe, antworte er launisch: „Na da sehen Sie mal: Selbst wir Ärzte lernen hin und wieder dazu. Haben Sie heute schon ihre Million Bakterien geschluckt?“. Und auch der Arzt, der besser Wirt geworden wäre (und nun gerne wieder „Das Personal“ genannt werden will), raunte nur kurz angebunden: „Recht so, gibt doch viel mehr blöde Patienten als Ärzte“.

Sonntag, 21. Januar 2007

Hart auf der Hälfte des Lebens



[Buster: Heute geschlossen. Collage, 2007]

Der Halbmond glänzet am Himmel,
und es ist neblicht und kalt.
Gegrüßet sei du, Halber, dort oben,
wie du, bin ich einer, der halb.

Halb gut, halb übel geboren,
und dürftig in beider Gestalt,
mein Gutes ohne Würde,
das Böse ohne Gewalt.

Halb schmeckt ich die Freuden des Lebens,
nichts ganz als meine Reu;
die ersten Bissen genossen,
schien alles mir einerlei.

Halb gab ich mich hin den Musen,
und sie erhörte mich halb;
hart auf der Hälfte des Lebens,
entfloh'n sie und ließen mich alt.

Und also sitz ich verdrossen,
doch läßt die Zersplitterung nach;
die leere Hälfte der Seele
verdrängt die noch volle gemach.

[Franz Grillparzer: Der Halbmond glänzet am Himmel, 1835]

Sonntagsspaziergang



[Buster: Beckstein und Huber reden während des Sonntagsspaziergangs auf den verstockten Seehofer ein. Collage mit Aquarellfarbe, 2007. Ankleidepuppen: Deutsches Spielzeugmuseum Chemnitz 1903]

Mittwoch, 10. Januar 2007

Apple my life

Als ich vor 24 Jahren nächtelang vor einem Apple Lisa-Computer saß, ein wahrscheinlich von emigrierten Volvo-Designern entwickelter über dreißigtausend Mark teurer Schuhkarton mit der Displaygröße einer Zigarettenschachtel und einer gefühlten Rechenleistung knapp über dem Commodore 64 dachte ich mir offen gesagt: Wären die nicht doch besser in ihrer Garage geblieben? Sicher: Das Bedienkonzept, die Maus, die Metaphern – toll, toll … aber wer braucht so was?

Als Apple heute das I-Phone vorstellte, eine ganz offensichtlich in die Schrottpresse gelangte Melange von Jukebox, Handheld und Bakelitttelefon, dachte ich noch – während die Aktie enthusiastisch um fast fünf Prozent stiegt – Wer braucht so was?

Ich bin bei solchen Gadgets nicht grade fürn Dernier Cri. Mein 6310 wurde die Tage als der Scharping unter den Mobiltelefonen bezeichnet. Meine Frage kann daher schon allein aufgrund meiner nachgewiesenen Inkompetenz als sehr unfair bezeichnet werden. Es gibt objektiv betrachtet unzählige Einsatzmöglichkeiten. Wer wollte nicht schon immer Telefonieren beim Musikhören und Surfen? Oder Musikhören beim Surfen und Telefonieren? Oder Telefonieren, oder Musikhören, oder Surfen? Na bitte, geht doch.

Wie wird es weitergehen? Natürlich wird I-Phone 2.0 auch fotografieren können, im Modell 2.1 wird ein Mehrkopfrasierer integriert werden. Modell 2.2 wird schon als Kamm einsetzbar sein, eine elektrische Zahnbürste und kleine Tanks für After Shave, Lippenstift, Nagellack, Kondome, Zigaretten und dergleichen enthalten. Eine lokalisierte süddeutsche Variante wird in einen haushaltsüblichen Besen eingebaut, damit auch während der Kehrwoche auf keinen Komfort verzichtet werden muss. Die Displays werden im Vorfeld der Europameisterschaft größer werden und klappbar, das Sondermodell 2008 enthält sogar ein geräumiges Dach, einen gekühlten Bierkasten und eine Fanbank. Dann wird unaufhaltsam die Diversifizierung einsetzen: Die Modelle-Linie „I-home“ kannen zunächst lediglich Geschirrspülen, bügeln und staubsaugen. Für noch größeren Absatz wird "I-mobile" sorgen: Dank des eingebauten 12-Zylinder Hybridmotors, wird Fortbewegeng kein Problem mehr sein. Das Modell „I-Life“ beinhaltet zusätzlich einen virtuellen Agenten für das Management des Restlebens: Wahlweise mit der Stimme von Beckmann, Kerner oder Verona Poth ausgestattet, wird vollautomatisch von der Verdauung, der politischen Willensbildung bis zur automatischen Kindererziehung alles über Multiple-Choice am Display geregelt.

Und dann Herrschaften, wird der Akku meines 6310 zwar langsam schwächer werden, aber ich werde etwas in Händen halten, das einfach nur telefonieren kann.

Donnerstag, 28. Dezember 2006

Simplify your brain

“If people do not believe that mathematics is simple,
it is only because they do not realize how complicated life is.”

[John von Neumann]

Wo doch heutzutage alles simplifiziert werden muss, damit überhaupt noch jemand zuschaut, teilnimmt oder wenigstens nicht auswandert. Anschaulich demonstriert derzeit an den zahllosen Jahresrückblicken, die sich allesamt dadurch auszeichnen, dass sich ein Jahr in sechzig bis neunzig Minuten inklusive Show-Acts darstellen lassen muss. Alle fünf Minuten muss ein Lacher eingebaut sein, sonst drohen massive Zuschauerabwanderungen zu Popp die Super-Stars und Such den Super-Hund. Nur den historisch Interessierten daher nachfolgend einen Text als Anschauungsbeispiel, wie vor 101 Jahren leichte Unterhaltung gepflegt wurde, nahegelegt - „Wie die Weiber man behandelt“:

„Der einen macht man Komplimente. So und so und so und so und schmeichelt, schmeichelt ohne Ende. So und so und so und so; der andren muss man imponieren. So und so und so und so und darf sie auch sogar sekkieren. So und so und so und so. Die dritte, die will Zärtlichkeiten. So und so und so und so, die vierte, die will zanken, streiten. So und so und so und so; die fünfte will nur tanzen, lachen. So und so und so und so. Dann wollen sie noch andre Sachen so und so und so -- und so.“ [Franz Lehár: Lustige Witwe, 2. Akt].

Ich habe ein durchaus gebrochenes Verhältnis zur Operette und zum gar nicht so ganz unkomplexen Lieblingskomponist von Hitler - die Lustige Witwe war für den das Größte. Der verehrte T. W. Adorno sagte über die Wirkung des Schlagers und seine gesellschaftliche Funktion:

„Schlager beliefern die zwischen Betrieb und Reproduktion der Arbeitskraft Eingespannten mit Ersatz für Gefühle überhaupt, von denen ihr zeitgemäß revidiertes Ich-Ideal sagt, sie müssten sie haben.“

Und auch in der Schlange bei meiner Post kann Mensch nun endlich Fernsehen und muss nicht mehr nachdenken ob ihm noch eine Briefmarke fehlt oder er zufrieden ist mit der Gesundheitsreform. Aber auch im Kaffee nebenan prangt ein nagelneuer überdimensionaler LSD LCD-Bildschirm. Alles wird einfacher, alles erklärbarer. Nachdenken wird delegiert und alle vier Jahre denken wir darüber nach, das Fernsehprogramm zu wechseln. War da noch was? Aber ja, vor grade mal 109 Jahren:

„CYRANO, rouvre les yeux, la reconnaît et dit en souriant
Mon panache.“
[Edmond Rostand: Cyrano de Bergerac]

Mittwoch, 20. Dezember 2006

Lambsdorfen

Otto, Otto so mancher Wirtschaftskriminelle wird sich heute heimlich eine Träne aus den Augenwinkeln wischen. Im letzten Kriegsjahr achtzehnjährig und freiwillig in den Krieg gezogen und ein Bein für den Führer im Krieg gelassen. Unvergessen Deine profunde liberale Wirtschaftskompetenz, die im Satz gipfelte: „Mehr arbeiten, weniger Krankfeiern“. „Ein Mann mit Ecken und Kanten“ wie das Genscherl Dich herzlich beschreibt der ganz zu Unrecht alleine für Wankelmut beim Doppelkopf geehrt wird. Wegen geringfügigen Bagatelldelikten wie Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung verurteilt. Wie lächerlich, das macht doch heute jeder. Sehr zu Recht, Otto, hat man Dir das große Bundesverdienstkreuz verliehen. Verbrecher, Unverbesserliche, Hartgesottene wie Dich kann dieses Land mehr gebrauchen als Milch und Honig.

[Plakat Klaus Staeck, 1984]

Die kleine Anfrage



Allgegenwärtige Glühweinstände die spätestens um 10 Uhr geöffnet haben und allzeit bereit sind das lauwarm-wässrige Getränk durch Beigabe von doppeltem Obstbranntwein anzureichern und Dauer-Weihnachtsfeiern fordern erheblichen Tribut auch in Werbeagenturen. Wie anders etwa wäre eine Reklameschrift der Toom-Gruppe erklärbar in der der lächelnd-graumelierten Schwiegermutter das Lachsfilet für 1,49 als „der Tausendsassa in Ihrer Küche“ angepriesen wird, wohingegen die leichtbekleidete Geliebte rechts erst durch den „Premium Kodiak Wildlachs smoked“ für 3,99 Euro in umso unaussprechbareres Verzücken gerät? Welcher Verbraucherminister bitteschön schützt mich sensiblen Konsumenten vor solchen Flugschriften? Nun?

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Seit langen das beste...
Seit langen das beste Gedicht was ich gelesen habe....
Laura Kinderspiel - 12. Nov, 11:30
wow..
..echt "hot" diese Sonnenblumen.. seit langem die beste...
jump - 6. Sep, 11:53
Danke
Danke
huflaikhan - 28. Aug, 08:25
Ich mag sowas ja sehr...
Ich mag sowas ja sehr gerne lesen, vor allem richtig...
huflaikhan - 26. Dez, 16:15
Hatschi
... ok, bin wieder auf dem Boden der Tatsachen.. ;-)
jump - 17. Dez, 19:18
So weit!
Ja genau, also doch schon gar sooo weit ;-).
BusterG - 17. Dez, 00:26
Das ist in der Nordeifel:...
Das ist in der Nordeifel: Heimbach in Nebel und Sonnenschein.
BusterG - 17. Dez, 00:24
Geschätzte Wassertemperatur:...
Geschätzte Wassertemperatur: ca zwei Grad, also vielleicht...
BusterG - 17. Dez, 00:23
Danke
Danke
BusterG - 17. Dez, 00:21
Natürlich ist das ...
... AUCH an Dich gewandt. Ich würde doch sonst nicht...
BusterG - 17. Dez, 00:21

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