Donnerstag, 23. November 2006

Nachtkochen, leise

Für Schmalzkerner- und Johann Laber-Geschädigte gibt es immer Donnerstags zu Nachtschlafender Zeit „Silent Cooking“ bei 3Sat:

„Patrick Müller ist keiner der klassischen Fernsehköche, (…). Patrick Müller kocht irgendwie anders, eigenwillig. Und das Beste an ihm: Patrick Müller schweigt. Es ist ein Genuss, ihm beim Zubereiten der Mahlzeiten zuzusehen. Ganz ohne Gerede.“

Heute um 0:40 Uhr.

Vergessen Sie!

„Die radikale sprachliche Verknappung hebt er wieder auf durch freche, bedenkenlose Übersteigerung der optischen Bildsignale. Nur wer diese ‚Übersetzung’ nicht mitmachen will, hält dergleichen für eine blödelnde Parodie auf Bayerntümelei. Aber Achternbusch ‚tümelt’ nicht ¬ so wenig wie sein einstiges Vorbild Jerry Lewis, so wenig wie Karl Valentin oder Groucho Marx¬ so wenig wie Samuel Beckett. Der Verfahrensweise dieses Übervaters der Nachkriegsliteratur, der sich bekanntlich oft an Laurel & Hardy orientierte, scheint mir Achternbuschs Methode am nächsten zu sein.“

Schreibt Peter Buchka in der Süddeutschen über das Geburtstagskind und der Gepriesene schreibt noch viel klarer:

„Das imperiale Gesetz dieser Welt ist Verständnis. Jeder Punkt dieser Welt muss von jedem anderen Punkt dieser Welt aus verstanden werden. Das hat zur Folge, dass jeder Punkt auf der Welt jedem anderen Punkt gleichen muss.“ [Achternbusch]

Das Zweite Geburtstagskind ist im Ländle unvergessen und bekannt wie der häufig bemühte „bunte Hund“. Und weil er heute Geburtstag hat, der von „Häberle und Pfleiderer“, gehen mal bitte alle in Stuttgart Bad Cannstatt Uff-Kirchhof rechts an den Kannen und dem Daimler vorbei und legen ein Blümchen ab. (Und sage noch Einer, die Schwaben seien geizig, da wird Omas Grab mit Mineralwasser gegossen!).

Soviel zum Erinnern.

Die Bedeutung des Vergessens für unsere psychische Hygiene im Besonderen und das Fortkommen der Menschheit im Großen und ganz Allgemeinen wird ja völlig unterschätzt.

Vergessen wir heute, dass Russen auf der ISS Golf spielen, dass sich Fritz Sörgel Sorgen macht, dass Harald Schmidt den armen Herrn Daum neckt: „Seit Daum wieder da ist, wirkt Overath plötzlich seriös“ [H. Schmidt 22.11.2006] (vgl. hierzu auch die Schnurrbartdiskussion bei Schnatterliese et al.), dass die Musikbox heute 112. Geburtstag hat und vergessen wir vor allem dass das Institut für Unterirdische Infrastruktur heute den „Goldenen Kanaldeckel 2006“ verleiht, Sie wissen schon, das ist der begehrte „Oscar der Kanalbranche“.

Eine ganz und gar moderne und mir sehr tröstliche Vorstellung unter Psychologen ist ja, dass das Gedächtnis jeden Tag neu geboren wird. Die Frage, ob wir unserem Gedächtnis überhaupt noch trauen können und wollen will Neurologe Eric Kandel so aber doch nicht beantworten: „Bei jedem Abruf einer Erinnerung erschaffen wir sie zwar sozusagen neu. Das heißt aber nicht, dass der Kern nicht mehr derselbe ist.“ [E. Kandel: Auf der Suche nach dem Gedächtnis] (vergessen Sie das Buch gleich wieder). Na der hat gut reden mit seinem Nobelpreis. Uns bleibt noch die Hoffnung auf eine Kernschmelze.

Mittwoch, 22. November 2006

(Endlich) Etwas Vernünftiges heute ...

Frau Pollymere, das ist niemand geringeres als meine einzige Leserin, hat mich gestern eindringlich gebeten, mich doch endlich mal für etwas Vernünftiges zu interessieren und möglichst darüber auch noch zu schreiben. Einerseits will ich natürlich mir selbst treu bleiben, mich nicht verbiegen lassen, nur weil jetzt Internetz 2.0 da ist und so. Andererseits ist der Wunsch der einzigen Leserin natürlich schon ein Pfund, dem ich auch nicht mal eben widersprechen kann.

Ich könnte von einer prominenten PR-Schickse was lernen und vom mehr als lebhaften Interesse der halben italienischen Schuhhersteller an meinem Stiefeldesign von gestern berichten - Reiterstilmode, da muss ich noch immer in schallendes Gelächter ausbrechen, wenn ich solche Konsumentinnen ins Flugzeug einsteigen sehe. Ich könnte auch ein Bild aus Berlin-Mitte links neben der Galerie Lafayette zeigen, das mich zum Stiefeldesign inspiriert hat.



[Buster: Fette Schnäppchen,
Friedrichsstraße links neben der Galerie Lafayette, 2006]

Ich könnte hier schreiben, dass ich gestern gelernt habe, dass SevenofNine von Sie wissen schon in München geboren ist und die Borg mithin bayrisch sind - nichts wirklich Neues, ich habe das immer und jederzeit vermutet, der Stoiber war nur der letzte (Borg-)Baustein. Oder dass Boris Becker – laut irgendwelchen Meinungsum-fragen neben Franz Beckenbauer und Max Schmeling der bekannteste deutsche Sportler – heute Geburtstag hat oder die Frage beantworten, warum der behandelnde Arzt gestern so einen abgeschnittenen Schädel zu haben scheint. Könnte ich.



[Buster: Als der behandelnde Arzt mit seinem von ihm sehr wertgeschätzten Kollegen einen fachlichen Disput hatte, Bleistiftzeichnung auf Reklameflugschrift mit Textmarker, 2006]

Ich könnte heute hier schreiben, dass Charles de Gaulles seinen 116. Geburtstag hätte, wenn er noch leben würde, Präsident J. F. Kennedy ermordet wurde, das Kap der Guten Hoffnung 1497 umsegelt wurde, das „Traumschiff" 1981 auf Sendung ging, die Sechste Armee bei Stalingrad 1942 eingekesselt wurde, nach elfjähriger Amtszeit die britische Premierministerin Margaret Thatcher als Regierungschefin und Vorsitzende der Konservativen Partei zurücktrat. Könnte ich jedenfalls.

Ich könnte hier auch darüber nachdenken, was der Satz „Vor den Kindern schlägt sie mich aber nie“ bei Kaurismäki gerade eben bedeutet und überhaupt: Wohl dem, der jetzt kalt-aktiv ist wie so ein daherbeworbenes Waschmittel das auch bei zwanzig Grad seine volle Wirkkraft entfalten kann oder mich fragen, ob der derzeit amtierende Buster im Kleinlogo oben nicht schon stilistisch gefährlich nahe an einen immer schwarzgekleideten Schulmassakermörder erinnert. Aber ich mach das besser nicht, Frau Polly … heute - Entschulidigung bitte - mal besser nicht.

Gegendarstellung: (Zwölf Stunden später) Ich habe ja so eine handvoll Prinzipien. Zum Beispiel, dass ich nach Mitternacht keine Texte mehr produziere die nicht noch einmal anderntags so eine Art Qualitätssicherung durchlaufen. Sehr zu Recht wie Mensch hier wieder mal sehen kann. Ich wollte jedenfalls nicht auf das Geschlecht von der sehr geschätzten Frau Polly abheben. Ganz und gar nicht. Auch wenn hier zwischen und auch in den Zeilen der Eindruck entstehen könnte, ich wollte etwas der Leserin schreiben, was ich einem Leser nicht und so weiter. Ich denke sie haben die mühsamen Gedankengänge von mir jetzt etwas verstanden und nichts für Ungut, Frau Polly, ich gelobe Besserung. So und heute gibt’s Grünkohl, die „Palme des Nordens“.

Dienstag, 21. November 2006

Vom Schweigen



[Buster: Meine Diagnose hat Hand und Fuß hat er heute zu mir gesagt.
Bleistiftzeichnung auf Speiseplanrückseite, 2006]

Geburtstagskind Friedrich Schleiermacher wird wohl etwas unter Wert wikipediert. Schließlich gilt er nicht ganz zu Unrecht als einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Idealismus und entwickelte eine philosophischen Hermeneutik die er als „Kunstlehre des Verstehens“ bezeichnet. Mein behandelnder Arzt kennt diese Kunst aber nicht und die adäquate Antwort auf seine Aussage finde ich in Schleiermachers Dialektik von 1811: „In sieben Sprachen schweigen“.

(Credits) Ich danke dem Arzt, der besser Wirt oder Schauspieler geworden wäre, für die selbstlose Digitalisierung des Kunstwerkes mit seinem unglaublich eleganten, verheißungsvoll mattschwarz schimmernden Fotohandy. Unter uns: Ich komme niemals auf sieben, schon in Hoch-Deutsch kann ich das nicht.

Montag, 20. November 2006

Als das Ferntonkino einmal fast nicht erfunden wurde ...

Am 20.11.1928 nahm der Sender Königs Wusterhausen bei Berlin das Bildfunkverfahren auf und eröffnete damit wenig rühmlich das Zeitalter des Deutschen Fernsehens. Fehlendes Konzept wie auch das überaus mäßige Interesse führten allerdings gut ein Jahr später wieder zur Einstellung des Versuchsbetriebes.

So hätte es bleiben sollen, und alle Einschlafquoten wären Geschichte. Weiß doch ein italienisches Sprichwort: „Das Radio ist eine Art verbessertes Fernsehen, weil nur noch der Ton übertragen werden muss.“ 1929 begann aber fahrlässiger Weise das Reichspostzentralamt erneut mit der Ausstrahlung von Versuchssendungen, ein Jahr später kamen erste vollständige Fernsehgeräte auf den Markt, die vielversprechend „Ferntonkino“ oder „Telehor“ genannt wurden. Es begann das, was nach Luhmann die Kommunikationsmedien definiert:

„… diejenigen evolutionären Errungenschaften, die an jenen Bruchstellen der Kommunikation ansetzen und funktionsgenau dazu dienen, Unwahrscheinliches in Wahrscheinliches zu transformieren.“ [Luhmann: Soziale Systeme, 220] und letztendlich dazu führt, dass mir Menschen im Ferntonkino heute um 14:40 Uhr von ihren 26 Piercings im Intimbereich und der unklaren Vaterschaft von sechs Kindern erzählen, nur weil ich mich gefreut habe einmal fünfzehn Minuten weder Kerner noch Beckmann zu sehen. So kommt das.

Wer heute nicht mehr hinschauen mag, stöbere in den Materialien zur Geschichte des Fernsehens auf Histoire de la Television, ich bleibe unerbittlich am Ball und werde heute ausnahmsweise mal zur frühen Stunde belohnt. Ab morgen ist dann bezüglich der Startzeiten wieder alles wie gehabt und „Mies vailla menneisyytta“, soviel verrate ich schon mal, endet mit diesem unvergesslichen Dialog: „Ich hatte Angst, du kommst nie wieder”. „Grundlos“.

Sonntag, 19. November 2006

Vorrat für dunklere Tage



[Herbstspaziergang im November, 2006]



In den Nachmittag geflüstert

Sonne, herbstlich dünn und zag,
Und das Obst fällt von den Bäumen.
Stille wohnt in blauen Räumen
Einen langen Nachmittag.
Sterbeklänge von Metall;
Und ein weißes Tier bricht nieder.
Brauner Mädchen rauhe Lieder
Sind verweht im Blätterfall.

Stirne Gottes Farben träumt,
Spürt des Wahnsinns sanfte Flügel.
Schatten drehen sich am Hügel
Von Verwesung schwarz umsäumt.

Dämmerung voll Ruh und Wein;
Traurige Guitarren rinnen.
Und zur milden Lampe drinnen
Kehrst du wie im Traume ein.

[Georg Trakl: Gedichte, 1913]

Samstag, 18. November 2006

Zwischenhirnausfälle und der Satz vom zureichenden Grund

[Heidelberger Totentanz,
Heidelberger Druck von 1488
Universität Heidelberg]

Es gibt höchstens eine Handvoll Themen von denen ich mich wohl auch den ganzen Rest meines Lebens Windmühlengleich verfolgt sehen werde. Und wassollichsagen: kaum sind einmal die treue Rosinante und mein wackerer Sancho Pansa nicht in Armlänge präsent, weist mich bei jeder sich mehr oder auch weniger bietenden Gelegenheit der Arzt, der besser Wirt geworden wäre, darauf hin, dass die Menge des täglich von mir konsumierten Weins - nicht nur im Kranken-haus aber auch dort - wenig förderlich ist für eine baldige Genesung.

Ein tägliches Ritual und wohl so eine Art Kompensation für seine bedrohlich-zyklischen Niederlagen beim Schach das er ganz offensichtlich noch deutlich weniger als ich beherrscht und das Herrschaften, soll schon was heißen! Heute Vormittag jedenfalls machte er sich gleich restlos zum Affen und zitiert nach der täglichen Ermahnung nicht nur sehr zusammenhanglos Leibniz frühaufklärerisches „Jeder Mensch besitzt Fähigkeiten zur vernünftigen Lebensführung.“ den er wohl seit Tagen auf meinem virtuellen Schreibtisch liegen sah, nein er legt verwegen frech - sich ans allgegenwärtige Stethoskop klammernd - noch gottgleich nach: „nihil fit sine causa“. Mit solch ernsthafter Gestik und Mimik untermalt, die er fraglos lange vor dem Spiegel einstudierte. Höchstwahrscheinlich gibt es sogar im Medizin-Hauptstudium ein Pflichtseminar das einen zu schauspielerischen Leistungen treibt und sehr neidlos gestehe ich ein, dass das Genrebild kaum mehr zu toppen ist. Noch dramaturgisch dichter wäre es höchstens wenn Oberschwester Melanie S. in ihrer frisch gestärkten Maria-unbeflecktweissen Schwesterntracht mit Palmenzweigen in beiden Händen ihn wiegenden Schrittes umtanzen würde, während er Leibnizzitate absondert.

Sein prüfender Blick zeigt an, dass er nun wohl eine Geste der Unterwerfung sehen möchte doch ich weise den Arzt, der besser Wirt oder vielleicht auch Schauspieler geworden wäre, darauf hin, dass der von ihm hingeworfene Satz vom zureichenden Grund auf Demokrit zurückgehe und einer der vier Ursachearten des Aristoteles entspreche und frage - zugegeben etwas launisch - nach, ob ihm denn bei Gelegenheit bereits zu Ohren gekommen ist, dass die Wissenschaft seit geraumer Zeit bei der Quantenmechanik angekommen sei. Väterlich wohlwollend rate ich ihm bei Gelegenheit einmal die „Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik“ zu wikipedieren. Die von ihm erwartete Unterwürfigkeit weicht allerdings zwischenzeitlich von der vom mir gezeigten in einem so bedrohlichen Masse ab, dass ich ihn zunehmend verärgert sehe und meine tägliche Ration Wein mehr als gefährdet bezeichnet werden muss. Um ihn zu erheitern zitiere ich daher die „Seuffzer eines Podagricin bey anschauung eines glases mit wein“, 1685 von Gottfried Wilhelm Leibniz verfasst:

Du Edles Traubenbluth, dein anblick ist zwar süße,
Du stärkest häupt und Hirn; schwächst aber Händ und füße.
Ich halte viel von dir, doch bistu mir zu scharff,
wohl deme der dich liebt, und auch genießen darff.

Was kan wohl irgend guths ein wasser-trincker schreiben
wenn hundert bäche schohn sein Mühlenrad umbtreiben,
das wasser gibt kein feür davon der geist erwacht,
Dann nüchtern komt heraus was nüchtern wird gemacht.

Nachzulesen in der bibliotheca Augustana oder natürlich auch hier. (Für die Verdienste um die Gesammelten Schriften von Leibniz erkenne ich nachträglich noch die ‚DDR’ mit allen völkerrechtlichen Konsequenzen an.)

[Universität Heidelberg: Die Harnschau]

„Welcher daz Podagra hot, Dem ist der wein verbotten“ ist in Handschriften aus dem 15. Jahrhundert in Heidelberg zu lesen. Dort tauchen besonders häufig Rezepte gegen die Gicht auf: „Er soll drincken hünig wasser“. Ob gemäß diesem Rat immer Honigwasser statt Süßwein getrunken wurde, bleibt zweifelhaft. Vielleicht halfen ja auch gestoßene Eicheln in Ochsengalle: „doraus mach ein blaster das bind vff die füs oder hend das verdreibt daz Podagra“. Der Arzt, der besser Wirt oder vielleicht auch Schauspieler geworden wäre, weiß nun beizutragen dass aktuelle Studien den Wein exculpieren und Bier als den Verursacher der Gicht identifizieren. Wir wissen aber auch gar zu wenig über den Wein, der im Hannover des 17. Jhdt getrunken wurde und dem Leibniz hier nachtrauert.

„Traubenbluth“ legt ja Rotwein nahe aber ob die Süße nun physikalisch oder metaphorisch zu verstehen ist, muss wohl unklar bleiben. Hand- und Fuß-Schwächung erinnern ja durchaus an den gepanschten österreichischen Roten, der andererseits wenig glaubwürdig ist „Haupt und Hirn stärken“ und „dem Geist Feuer zu geben“. Württembergischer Lemberger kann letzteres schon eher. Nun wurden wir beide doch ein wenig nachdenklich und ich wusste noch zu berichten, dass ich mit der Bezeichnung „Podagra“ nicht nur geschwollen-schmerzhafte Füße und Hände memoriere, sondern auch sehr lautstarken skandinavischen Pønk. Und zitierte schließlich zum Troste und sehr väterlich-versöhnlich aus den Vagantenbeichten 12,1 von Archipoeta, meine baldige Entlassung herbeihoffend: „Meum est propositum in taberna mori!“

Freitag, 17. November 2006

Vom letzten Bajazzo


Kuttel Daddeldu ging an Land.
Die Rü Albani war ihm bekannt.
Er kannte nahezu alle Hafenplätze.

Weil vor dem ersten Hause ein Mädchen stand,
Holte er sich im ersten Haus von dem Mädchen die Krätze.


„Eine Lanze für diesen Dichter brechen zu wollen hieße Ringel nach Natz tragen“, schreibt Robert Gernhardt in seinem Nachwort zur ‚Blauen Lyrik’ von Joachim Ringelnatz. In seinem Kinder-Verwirr-Buch gesteht er, „daß Onkel Ringelnatz bisweilen ein herzbetrunkenes Kind gewesen“. Zum Todestag empfehle ich den kurzen literarischen Spaziergang von Peter Auer auf den Spuren von „Daddeldu" in Charlottenburg.

Wir sind, sagen die Lauen,
Wir sind nicht objektiv.
Wir sollten doch tiefer schauen,
Doch schauen, ob nicht tief
Am Nazitum was dran sei,
Ob Hitler nicht doch ein Mann sei.

Wir haben alles erwogen,
Wir wußten alles zuvor,
Mal hat man uns nicht betrogen,
Man machte uns nicht vor,
Daß rechts links und gerade schief sei
Und daß alles relativ sei.

Unrelative Lumpen hausen bei uns zu Haus,
Und hauen das Land in Klumpen.
Ist relativ der Graus?
Da sollen wir objektiv sein,
Wir sollen so naiv sein!

Wir kennen die einfache Wahrheit,
Wir sehen durch ein scharfes Glas.
Und unsere Lehre ist Klarheit.
Und unsere Lehre ist Haß.
Der Haß, der groß und weitsichtig ist,
Der schaffende Haß der wichtig ist.

[Ringelnatz: Nachlass, Hrsg. v. Herbert Günther]

Donnerstag, 16. November 2006

Toleranz des Bösen (Übung mit abschl. Klausur)

Internationaler UNO-Tag der Toleranz heute, ich bin ja glücklich geflohen heute aber Sie eben nicht: Herzen Sie daher doch mal den Stasi-Offizier mit Richterpension von Nebenan oder geben Sie dem Neonazi der immer an der Bushaltestelle wartet und sie so komisch anschaut während es dumpf aus seinem MP3-Player wummert ein Bierchen aus. Seien Sie verständnisvoll zu dem Vater der seiner Tochter die Schule verbietet und grüßen Sie mal nett den Mann von gegenüber der den ganzen Rag am Fenster sitzt und Falschparker aufschreibt. Vergessen Sie an so einem Tag auch nicht im Park bei den Drogendealern vorbeizugehen mit einer Schachtel „Merci“ und … Wie meinen? „Toleranz“ gelte nun mal nicht für alle?

Also bitte, nun aber das ganze Programm: Definieren Sie die Begriffe „Ethik“ und „Moral“ sowie die Bedeutung von Geboten, Verboten, Gesetzen, Regeln und Normen für Sie. Lesen Sie zur Erfassung der historischen Dimension eines Wertekonflikts „Der Prozess gegen Sokrates“ von Kriton und „die Idee des Guten“ aus Platons ‚Staat’. Entscheiden Sie sich für ein Ethik-Konzept mit normativem Geltungsanspruch im Sinne der Legitimation des individuellen Handelns wie zum Beispiel bei Epikur „Das glückliche Leben“, bei Bentham, Mill oder Singer das Prinzip „Nützlichkeit“ oder bei Kant die Gesinnungsethik. Setzten Sie sich mit den Kritikern von Kant auseinander: Betrachten Sie dabei mindestens Hegel, Nietzsche, Sartre, Horkheimer, Weber und Habermas. Unterziehen Sie den Satz „Toleranz ist ein Beweis des Misstrauens gegen ein eigenes Ideal“ aus dem “Nachlass“ von Nietzsche einer kritischen Würdigung. Organisieren Sie ein gemeinsames Rollenspiel mit dem Stasi-Offizier und dem Neonazi. Stellen Sie einen aktuellen Wertekonflikt dar in dem die unterschiedlichen Ethik-Konzepte durch Handelnde repräsentiert werden. Beauftragen Sie den Vater und den Mann von Gegenüber mit der Vorbereitung eines Impulsreferats zu Goethes Zitat „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zu Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“ Stellen Sie hierbei notfalls durch wiederholte Intervention sicher, dass auf eigene Erfahrung rekurriert wird. Führen Sie eine Podiumsdiskussion durch mit einem lokalen Drogendealer und dem Papst zur Aussage von Joseph Ratzinger zur Ablehnung homosexueller Partnerschaften durch die katholische Kirche „Toleranz des Bösen ist etwas ganz anderes als die Billigung oder Legalisierung des Bösen.“ Organisieren Sie ein multikulturelles Straßenfest auf dem die Funkemariechen zum A capella-Gesang des Knappschaftschors „Dicke Scholle“ tanzen während Caroline Reiber mit André Rieu im Walzertakt kopuliert. Servieren Sie dazu Berliner Weise mit einem Schuss Trollinger verquirlt mit einem Eimer handwarmem Jägermeister.

Der Tag ist vorbei, Sie dürfen wieder etwas intolerant sein. Entspannen Sie sich mit Schopenhauers ‚Aphorismen’: „Toleranz heißt: die Fehler des anderen entschuldigen. Genie heißt: sie nicht zu bemerken.“

Ein Rind für ...


Semmel - Andreas - Kopfhoch-Studio - Redunzl.
Gestern erjagt: Freilaufend, Kabufflos und Bönnsch.

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BusterG - 17. Dez, 00:23
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BusterG - 17. Dez, 00:21

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